■ Randy Rollenspieler

Die Intellektuellen lieben ihn, die Kritiker sowieso, bloß Randy Newman selbst ist unzufrieden mit seiner Karriere. Es muss damit zu tun haben, dass sämtliche seiner Hits auf Missverständnissen basieren. „Short people got no reason to live“ – diese Zeile brachte 1977 die Kleinwüchsigenverbände der USA gegen ihn auf. „I Love L.A.“ dagegen wurde 1984 während der Olympischen Spiele als plane Liebeserklärung an die Stadt, in der er lebt, verstanden. Dabei handelte es sich doch in beiden Fällen um ätzend-zynische, bitterböse, um nicht zu sagen schwarzhumorige Satiren auf den amerikanischen Traum bzw. dessen Kehrseite, wie sich die meist gebrauchten Feuilletonwendungen zum Kompaktpaket zusammenzurren ließen. Man könnte es auch einfacher formulieren: Newman, heute 56, Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie, schlüpft in Rollen, zum Teil auch in die unangenehmer Zeitcharaktere: Für das Album „Good Old Boys“ (74) etwa sprach er aus der Psyche rotnackiger Südstaatenfaschisten heraus, für „Born Again“ (79) hielt er sich die geldgierige Fratze des Mainstream-Rock 'n' Roll vors Gesicht. Everybody's Darling wird man so nicht. Nach „Land Of Dreams“ (88) zog Newman sich, von Kreativitätskrisen und einer rätselhaften Schlafkrankheit gebeutelt, aus dem Songschreibergeschäft zurück, lebte von Filmmusiken und Auftragsarbeiten. Zum letztjährigen Weihnachtsgeschäft erschien die Prachtbox „Not Guilty – 30 Years of Randy Newman“, doch erst jetzt kommt wirklich neues Material: „Bad Love“ (Dreamworks), ein Songgeschichtenzyklus über eine amerikanische Kindheit, vergiftete Idyllen und das Leben als middle-aged Rockstar am Ende des 20. Jahrhunderts. Den Chartserfolg wird auch das nicht bringen, doch genau dafür dürfen wir anderen ihn weiter lieben. tg