Aufräumen

„Die Welt der Frau ist ihr Mann, ihre Kinder und ihr Haus.“ So hatte Adolf Hitler 1934 getönt. 1945 war von dieser Welt nicht mehr viel übrig. Vier Millionen Männer waren gefallen, elf Millionen gefangen oder verschollen – die Heimkehrer geschwächt, krank, verkrüppelt.

Frauen stellten 65 Prozent der deutschen Bevölkerung. Sie mussten mit dem Wiederaufbau beginnen. Der größte Arbeitskräftemangel herrschte in Schwerindustrie und Baugewerbe – traditionellen Männerberufen.

Nach dem Krieg sah man das jedoch nicht mehr so eng. Wer sollte denn sonst die Trümmer und Leichen wegräumen? Die Schuttberge der deutschen Städte wurden auf über 400 Millionen Kubikmeter geschätzt. Zum Aufräumen mussten alle Frauen zwischen 15 und 65 Jahren antreten. Motiviert wurden sie durch aufmunternde Parolen wie „Rama dama!“ (München) – und den angedrohten Entzug der Lebensmittelrationen. Frauen mit Kindern unter 14 Jahren waren freigestellt, viele meldeten sich aber trotzdem wegen der Lebensmittelkarten für Schwerarbeiter. Die „Friedhofskarte“ für normale Hausfrauen sah pro Tag nur 1.000 bis 1.500 Kalorien vor.

In der Statistik wurden die Frauen als „Bauhilfsarbeiter bei Abbau“ geführt. Allein in Berlin gab es im Jahr 1946 rund 45.000, die Schutteimer schleppten und Ziegel vom Mörtel befreiten. 42 von ihnen wurden von Blindgängern oder einstürzenden Mauern getötet. Für ihre Knochenarbeit bekamen sie 60 Reichspfennig pro Stunde – ein Groschen weniger als die wenigen Trümmermänner.

Ein Bauhandwerk erlernen – und mehr verdienen – durften Frauen übrigens nicht, aus Gründen des „Gesundheitsschutzes“. Überhaupt sorgte das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 für die Frauen. Beispielsweise ließ es sie nicht ans Familienbankkonto, auch nicht, wenn der „Familienvorstand“ in Sibirien saß.

Während in der DDR den Frauen der andauernde Arbeitskräftemangel zugute kam, wurden sie in der BRD in „Männerberufen“ nur als Übergangslösung bis zur Rückkehr der Männer gesehen. Eine Zölibatsklausel für Beamtinnen konnte verhindert werden, nicht aber die Verdrängung der Frauen aus der Berufswelt. Die Deutsche Bundesbahn zum Beispiel erschwerte 1954 für Frauen den Zugang zur einfachen und mittleren Laufbahn – sie sollten sich auf Bürodienst und Reinigung beschränken.

In den heutigen Schulbüchern sollen Fotos von Trümmerfrauen den „Wiederaufbauwillen“ symbolisieren. Die Frauen selbst sind weitgehend vergessen. Ihre Durchschnittsrente ist nur halb so hoch wie die der Männer.

Martin Ebner