Schwestern und Cousinen der schönen Nofretete

■ Das Kopftuch wird neu entdeckt. Eine Fotoreportage aus Kreuzberg von Ali Ghandtschi (Fotos) und Songül Çetinkaya (Text)

Sie sind jung, schön und tragen Kopftücher. Darunter lässt sich ihr meterlanges schwarzes Haar nur erahnen. Sie schminken sich, betonen dabei ihre tiefbraunen Augen und tragen Plateauschuhe zu engen Röcken oder Leggings. Diese Frauen sollten für unsere Augen eigentlich unsichtbar sein, doch man kommt meist nicht umhin, den graziösen Damen einen bewundernden Blick nachzuwerfen. Sie könnten Schwestern und Cousinen der schönen Nofretete vom Nil sein.

Junge Musliminnen wollen sich nicht mehr verstecken. Sie machen jetzt ihre eigene Mode, indem sie gekonnt mit dem Reiz des Verborgenen spielen.

Zu sexy für den Islam? Keineswegs. Der Koran schreibt den Frauen zwar vor, Haut und Haare zu verdecken, um sich lüsternen Männerblicken zu entziehen. Doch von Plateauschuhen und Nofretete-Style ist im Koran nicht die Rede. Diese Freiheit wird genutzt.

Es gibt nach wie vor auch Frauen, die das Kopftuch tragen, um sich nach den Regeln des Islam zu verhüllen. Diese Regeln zwingen sie, sich in lange, weite Mäntel in gedeckten Farben zu kleiden und mit Einkaufstüten beladen zwei Schritte hinter ihrem Mann herzulaufen. Die jungen Schönen haben mit ihrem eindrucksvollen Auftreten mit dieser Tradition gebrochen.

Unsere Bilder zeigen Frauen, die Spaß am Kopftuch haben. Die meisten sind Musliminnen. Seit der modischen Verquickung von Kopftuch und H & M-, Pimkie- und Orsay-Look tragen Frauen das Kopftuch aber auch – losgelöst von religiösen Motiven – als modisches Accessoire.

Das Tuch lässt viele Gestaltungsmöglichkeiten zu: klassisch gebunden, lose fallend oder hochgesteckt à la Nofretete; mit Schmuck verziert oder einfach nach Bäuerinnenmanier im Nacken gebunden. Das Kopftuch wird neu entdeckt.