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Altschulden waren Chefsache

Ehemaliger Abteilungsleiter der BAGS belastet im PUA Amtsleiter Uwe Riez und widerspricht auch Sozialsenatorin Karin Roth  ■ Von Heike Dierbach

„Wirklich beurteilen kann ich bis heute nicht, ob der Sammelbescheid zulässig war“, gestand Joachim Meyer. Dennoch, so berichtete der ehemalige Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt in der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS), habe er ihn im Dezember 1996 mit unterschrieben – weil sein Vorgesetzter Uwe Riez „mich in einer Form dazu aufforderte, die den Charakter einer Weisung hatte“. Dass sein Handeln nicht korrekt war, scheint Meyer nun zu dämmern: Zu seiner Vernehmung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Filz“ (PUA) hatte der Zeuge am Freitag abend gleich seinen Anwalt mitgebracht.

Es ging um den Vorwurf, Uwe Riez habe als Amtsleiter in der BAGS im Dezember 1996 unzulässigerweise einen Sammelbescheid über 260 Millionen Mark an die Hamburger Arbeit und Beschäftigungsgesellschaft (HAB) veranlasst – rückwirkend für die Zeit, in der er selbst HAB-Geschäftsführer gewesen war. Von 1990 bis 1994 hatte die HAB 257 Millionen Mark ohne rechtsgültige Grundlage erhalten, weil Riez gegen die Finanzierungsbescheide der BAGS regelmäßig Widerspruch einlegte.

Nach seinem Wechsel in die Abteilung Arbeitsmarkt der BAGS „hat Herr Riez die HAB sofort zu seiner Chefsache erklärt“, berichtete sein ehemaliger Untergebener Meyer, „er sagte, diese Dinge kenne er schließlich aus seiner HAB-Geschäftsführertätigkeit am besten“. Ganz in Ordnung habe er das zwar nicht gefunden, erinnerte sich der Zeuge, „aber an das Thema Interessenkollision habe ich damals überhaupt noch nicht gedacht“. Ihm sei allerdings klar gewesen, dass Riez seine „Altschulden“ begleichen wollte.

Meyers Schilderung widerspricht deutlich der Darstellung von Sozialsenatorin Karin Roth (SPD), dass das Zuwendungsverfahren für die HAB „schon weitgehend abgeschlossen war“, bevor Riez sich einmischte. Damit hatte die Senatorin im Juni 1999 vor der Bürgerschaft gerechtfertigt, warum gegen den ehemaligen SPD-Abgeordneten keine Disziplinarmaßnahme verhängt worden war – obwohl auch das Disziplinarverfahren im November 1998 ergeben hatte, dass Riez gegen das Mitwirkungsverbot verstoßen hatte.

Auch diesen Vorgang wird der PUA demnächst untersuchen: Alle Fraktionsvertreter stimmten am Freitag einem Antrag der Regenbogen-Gruppe zu, in dem der Senat aufgefordert wird, die Akten des Disziplinarverfahrens zur Verfügung zu stellen. Weniger Einigkeit herrscht im Ausschuss über die Frage, wie zu erreichen ist, dass die BAGS endgültig alle Akten herausrückt. Die CDU beantragte dazu vergeblich, den Senat ausdrücklich zur Aktenübergabe aufzufordern, Roth persönlich vorzuladen und von allen betroffenen BehördenmitarbeiterInnen eine dienstliche Erklärung einzufordern. SPD und GAL, die die Mehrheit der PUA-Stimmen haben, reichte hingegen ihre Forderung, der Senat möge „Aufklärung über die bisher getroffenen Maßnahmen leisten“.

Ihre Forderung, bis zur Auswertung aller nachgelieferten Akten eine mehrwöchige Zwangspause einzulegen, zog die CDU „zähneknirschend“ zurück. Die Fraktionen einigten sich stattdessen auf einen neuen Zeitplan, in dem der Komplex HAB erst im Oktober behandelt wird.

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