piwik no script img

Immerhin sind die Büroklammern günstiger geworden

■ Seit einem Jahr sendet im Südwesten der SWR, doch abgesehen von Hörerverlusten ist bislang nicht viel passiert

Der mitternächtliche Himmel über dem Regionalflughafen Söllingen bei Baden-Baden leuchtete bunt von einem Feuerwerk. Das Spektakel, über dem Intendant Peter Voß schwebte wie ein Himmelsbote, sollte im Südwesten große Verheißungen wahr machen. In der Augustnacht gestern vor einem Jahr ging der Südwestdeutsche Rundfunk (SWR) nach der Fusion von Südwestfunk (SWF) und Süddeutschem Rundfunk (SDR) auf Sendung.

Auf die 4.247 Mitarbeiter an den drei Standorten Stuttgart, Baden-Baden und Mainz kam die Aufgabe zu, mit einem Jahresetat von rund 1,9 Milliarden Mark vier Radioprogramme und ein drittes Fernsehprogramm zu produzieren – ein Drittel der Programme sollte jeweils regional aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sein. Und zudem sollte die Anstalt auch in der ARD sofort eine Führungsrolle übernehmen – dort wurde sie nach dem WDR der zweitgrößte Sender.

Das alles war ziemlich viel für den Anfang. Zu viel? Den ersten Dämpfer verpasste Voß seinem Sender gleich selbst: Auf Druck der Politik schrieb er ihm vor, bis 2002 insgesamt 650 Stellen einzusparen – allein in diesem Jahr fallen 131 Jobs weg. Schließlich sollte die schicke neue Anstalt ja irgendwo schlank und effizient aussehen, nachdem viele Kommentatoren registriert hatten, dass der Laden nach der Fusion nicht weniger, sondern manchmal sogar mehr Finanzaufwand betreibe.

Von Einsparungen spricht man beim SWR heute kaum mehr. Schon das laufende Geschäftsjahr wird man mit einem Fehlbetrag von 35 Millionen Mark abschließen. Immerhin seien Einkauf und Materialbeschaffung günstiger geworden, jubelt Intendant Voß nun zum Jubiläum. Die Organisation von Videobändern und Büroklammern blieb aber so ziemlich das Einzige, was billiger wurde.

Zudem gefällt nicht alles Neue dem Publikum: Die Radioprogramme verloren nach der Fusion insgesamt eine halbe Million Hörer. Besonders die zwangsvereinigten Popwellen SWF3 und SDR3 traf es: Das neue SWR3 verlor 800.000 Hörer. Der Substanzverlust dürfte inhaltliche Gründe haben: Statt seriösem Journalismus gibt es Häppchen, statt lustiger „Radio-Comix“ seichte Sprüche. Gelungen darf die Fusion beim abgestaubten Kulturkanal SWR2 und bei SWR4 angesehen weden, das Volksmusik mit regionaler Information mixt.

Hörfunkdirektor Bernhard Hermann beruhigt sich, dass die Media-Analyse vom Juni „schon längst nicht mehr die Realität abbildet“. Dass auf SWR1 nicht selten dieselben Titel wie auf SWR3 gespielt werden? Das solle bald in einer Kommission „auf den Prüfstand kommen“. Kommissionen gibt es allerhand. Eine andere soll zum Beispiel die Doppelstrukturen in der Führungsebene unter die Lupe nehmen. „So manche sinnvolle Programmänderung wird deshalb verhindert, weil oben zu viele mitreden wollen“, sagt ein Mainzer Radioredakteur. Und die Verlierer der Fusion? Die Frauen zum Beispiel. Ihr Anteil an den Festangestellten stagniert mit 39,6 Prozent. Auf der Führungsebene wurde er trotz der Doppelstrukturen geringer. „Unter den 31 Hauptabteilungsleitern sind nur vier Frauen“, rechnet Frauenbeauftragte Antje Schirra vor.

Während die SWR-Sendungen im ARD-Programm ordentlich laufen, könnte das bisweilen biedere Südwest-Fernsehen ein bisschen mehr Pepp vertragen. Hier ließen sich die 60 Millionen Mark, die Voß in die Programme investieren will, sinnvoll einsetzen. Mit einer Zuschauerquote von knapp fünf Prozent liegt das gemeinsam mit dem Saarländischen Rundfunk betriebene Programm unter den ARD-„Dritten“ gerade mal auf dem drittletzten Platz.

Überhaupt, was sagt der Intendant? Nun gelte es, die Programme „zu optimieren“. Voß kann dazu selbst leider nur wenig beitragen. Der 59-Jährige geht derzeit fast voll in seinem Job als ARD-Vorsitzender auf. Wolfgang Messner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen