Kritik der Krieger

■ „Bündnis 90/Die Olivgrünen“: Demonstration und Diskussion des Nato-Angriffskriegs mit „Konkret“ Von Andreas Fanizadeh

„Schröders ,neue Mitte' ist eine Kombination aus Che Guevara und Wilhelm II.: Schafft zwei, drei, viele Kosovo.“ Der Klappentext des Konkret-Bandes 22 ist schön knackig. Jürgen Elsässer, neuerdings wieder Redakteur bei konkret, hat ihn herausgegeben. „Nie wieder Krieg ohne uns“, so der Titel, enthält, was die Zeitschrift zuletzt zum Krieg im Kosovo veröffentlichte, und Konkret gehört bekanntlich zu den unbedingten Kritikern der Nato-Intervention in Jugoslawien.

Rainer Trampert hat unlängst in der Berliner Wochenzeitung Jungle World versucht, die politisch-ökonomischen Interessen des „Westens“ in Süd-Ost-Europa zu skizzieren. Für konkret hat dies in den letzten Jahren immer wieder Heiner Möller getan. Möller und Trampert praktizieren etwas, was links wie rechts ziemlich selten ist: Sie konstrastieren die historisch-ideologischen Entwicklungen mit aktuellen empirische Bezügen. Da es für solche Untersuchungen kein Institut in der Bundesrepublik gibt, müssen solche Arbeiten oftmals kryptisch bleiben. Aber wenigstens kaschieren sie nicht die Unwissenheit hinter der Symbolik starker Worte und Gesten – ein gerade bei konkret sonst sehr beliebtes Spiel.

Gremliza & Co hingegen beschränken sich auf das, was sie wohl unter „Ideologiekritik“ verstehen. Um sich unnötigen Schwierigkeiten zu entziehen, hat sich die Zeitschrift und ihr geschrumpftes Umfeld dort, irgendwo zwischen 1917 und 1967, fest eingegraben. Eine der beliebtesten Varianten dieser Journalistik ist die Entlarvung. „Entlarvt“ wird so in der August-konkret der Spiegel-Redakteur Reinhard Mohr. Der frühere Frankfurter Sponti ist heute einer der Leitartikler beim Angriffskrieg gegen Jugoslawien gewesen. Konkret-Expertise: Karrierist, Verräter, Arsch ins Trockene usw. Entlarvt wird auch jetzt schon seit Jahren der „Joseph“ Fischer.

Joschka Fischer hatte zum Beispiel 1994 gesagt: „Aber eines ist für mich jedenfalls klar: Wo deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg gewütet haben, darf es keine Einsätze geben...“ An solches wird in konkret gerne und genüsslich erinnert. Allein: Was die so gerne ins Felde geführten „Verräter“ bewog, ihre Ansichten zu ändern, erklärt die Zeitschrift in der Regel nur noch psycho-pathologisch: Machtgeilheit, Käuflichkeit, Opportunismus.

In der Stammtisch-Sprache Elsässers heißt es: „Fischer hat außer dem ,strategisch gut geplanten Bücherklau' und dem ,rauhe(n) Handwerk eines Straßenkämpfers' (Schmidt) nichts Vernünftiges gelernt. Obwohl er heute ganz oben steht, ist er da nicht sicher. Folglich wird er alles versuchen, um sich den Erfordernissen der Macht, Zeitgeist genannt, anzuschmiegen: Er muß diesen Krieg gewinnen – und wenn nicht diesen, dann möglichst schnell den nächsten.“

Neben dieser notorischen Unzuverlässigkeit des linken Subjekts, seiner Diskontinuität, geht konkret von einem weiteren Begründungszusammenhang aus. Der nennt sich faschistische Kontinuität. Die meisten konkret-Autoren glauben, dass nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, der Einverleibung der DDR und dem Abzug der Westalliierten die Restauration der Großmacht Deutschland auf der Tagesordnung stünde. Im Unterschied zu den USA können sie sich für die BRD keine modernisierte, demokratisch-kapitalistische Variante vorstellen, die ja – an sich schon – schlimm genug wäre.

Die Überbetonung einer historisch unverminderten Kontinuität in der Zielsetzung deutscher Innen- und Außenpolitik führt zu teilweise schwer nachvollziehbaren Einschätzungen. So wird die mitunter recht brutal durchgestzte Politik der USA in den jüngsten Konkret-Jahrgängen eher bagatellesiert. War man früher gegen den Yankee-Imperialismus, sieht man in ihm heute tendenziell vielmehr den Garanten für einen demokratischen Kapitalismus: Immerhin waren die USA ja auch an der Befreiung Europas vom Nazismus beteiligt. So erhofft man sich auch einen weiterhin anhaltenden Interessengegensatz von deutscher und US-Politik, in dem den USA die Aufgabe zukommt, das neue Deutschland zu mäßigen. Kleinere Nationen werden diesem Hauptwiderspruch dann gerne geopfert. Weniger in die Analyse passt auch, dass die beiden trotz aller Konkurrenz ja prächtig zusammenarbeiten könnten.

Zu oft entschwindet bei konkret die Gegenwart hinter der historisierenden Sicht. Dabei hätte man den Nato-Angriffskrieg gegen Jugoslawien auch ohne Instrumentalisierung der Geschichte verurteilen können. Die Sprache der Propaganda war nämlich aufschlussreich genug. Um gegen die Politik der Nato zu sein, musste man jedoch nicht gleich die jugoslawische Politik schön reden.

Für konkret ist die albanische UCK eine terroristische Schmugglerbande, während sie „das Hauptquartier der aufständischen Boxer heute nicht in Peking, sondern in Belgrad“ (Elsässer) vermuten. Bei dieser Einteilung der Welt in Gute und Böse bestimmt der territoriale Ausgangspunkt des Autors nach wie vor die Sicht. Die anti-deutsche Polemik nationalisiert sich so fortwährend selbst am Gegenstand, den sie in ihrer Kritik nicht überwinden kann. Insofern bleibt konkret nicht mehr als das Klinkenputzen beim offiziellen Antifaschismus und ein bisschen Ratlosigkeit, warum man denn beim Golfkrieg so lauthals an die Front marschierte, diesmal aber dessertierte. Das ist schade, da es so viele Versuche, eine staatskritische Position einzunehmen, derzeit nicht gibt.

Demo: 17 Uhr, Stephansplatz, 19.30 Uhr auf dem Hein-Köllisch-Platz: Referate von Günther Jacob, Heiner Möller, Karl Heinz Roth, Hermann L. Gremliza.

Jürgen Elsässer (Hg.): Nie wieder Krieg ohne uns: Das Kosovo und die neue deutsche Geopolitik, 22,80 Mark, 164 Seiten, Konkret Verlag 1999