Der Unerschrockene

■ Der ehrgeizige Jazz-Gitarrist Charlie Hunter geht auch im Duo volles Risiko

Welcher Jazzgitarrist hat einen zuletzt so richtig umgehauen? Wem außer Bill Frisell ist es gelungen, etwas wirlich Neues auf diesem Gebiet durchzusetzen? Traut sich überhaupt noch jemand einen hörbaren Gegenwartsbezug zu? Ja, Charlie Hunter. Endlich wieder einer, der das Zeug dazu hat, den Laden aufzumischen, und sich genau darum auch nach allen Kräften zu bemühen.

Wenn der ehemalige Satriani-Eleve aus San Francisco seinen 8-Saiten-Apparat malträtiert, hat er nachweislich alle Hände voll zu tun. Dass eine Gitarre manchmal nach Orgel klingt, ist nicht gerade handelsüblich. Wenn man Hunter in spieltechnischer Hinsicht notorisch ehrgeizig nennen kann, setzt er stilistisch umso bereitwilliger auf volles Risiko. Oder, wenn es anders nicht geht, auf Wahnwitz: Vor zwei Jahren hat er die komplette Natty Dread-LP von Bob Marley gecovert – und „No Woman No Cry“ rotzfrech mit ein paar Takten „Tennessee Waltz“ eingeleitet. Macht Spaß, so um den Finger gewickelt zu werden – und Sinn noch dazu.

Quasi über Nacht bekannt wurde er 1995 mit seiner höllisch guten zweiten Platte, die den ziemlich kategorischen Imperativ Bing, Bing, Bing! zum Titel hatte und auf der sich der frischgebackene Blue Note-Künstler ganz wunderbar an Kurt Cobains „Come As You Are“ vergriff. Dazu noch tat und tut sich Hunter als Mitglied von T.J. Kirk hervor, einer funky Armada aus drei Gitarristen und einem Schlagzeuger mit striktem Repertoire aus Monk, James Brown und Roland Kirk.

Schlank und rank ist die Besetzung in Hunters neuem Projekt: Nur gerade ein Schlagzeuger wird den Gitarristen bei seinem Auftritt im Birdland begleiten. Es ist Adam Cruz, der schon mit Chick Corea, aber auch bei der Mingus Dynasty gespielt hat. Und natürlich ist dieses Duo aus Gitarre und Schlagzeug alles andere als eine Verlegenheitslösung: Das Programm hat Hunter voriges Jahr (mit dem Drummer Leon Parker) erarbeitet und auch schon auf Platte verewigt – eine ganz und gar nicht verschrobene Angelegenheit, mit der man sich einen kurzweiligen Freitagabend im Jazzclub machen kann.

Andreas Schäfler

Fr, 3. September, 21 Uhr, Birdland