Neuer Strom in alten Leitungen

Erstmals zwingt das Bundeskartellamt ein Energieunternehmen, Konkurrenzstrom in sein Netz zu lassen. Rechnung für Verbraucher sinkt  ■   Von Hannes Koch

Berlin (taz) – Der Stromkunde Kurt Markert, das Berliner Abgeordnetenhaus und das CinemaxX-Kino am Potsdamer Platz können bald billigen Strom kaufen. Gestern verkündete das Bundeskartellamt eine Verfügung gegen den hauptstädtischen Energieversorger Bewag und zwang damit erstmals ein Unternehmen, preiswerte Elektrizität der Konkurrenz durch seine Leitungen zu den Verbrauchern zu schicken. Das hatte die Bewag bislang mit dem Hinweis auf die beschränkte Kapazität ihrer Verbindungskabel mit Westdeutschland verweigert. Kartellamtschef Dieter Wolf fand dazu eindeutige Worte: „Auch Berlin kann kein Refugium für Monopolisten sein.“

Die Entscheidung verpflichtet nun prinzipiell alle Energieversorger in Deutschland zur Durchleitung von Importstrom in das jeweilige Ortsnetz. Die Bewag wird nicht der einzige Konzern bleiben. Die Wettbewerbsbehörde setzt jetzt praktisch um, was das liberalisierte Energiewirtschaftsgesetz bereits seit April 1998 theoretisch vorsieht: Jeder Verbraucher kann sich von einem beliebigen Energieversorger irgendwo in der Republik beliefern lassen – und dabei Geld sparen.

Dieter Wolf machte trotzdem keinen ganz zufriedenen Eindruck. Das Kartellamt konnte nämlich nur entscheiden, dass jeder Stromkunde in Berlin sich 20 bis 30 Prozent seiner Energie von anderen Firmen liefern lassen kann. Rund 70 Prozent des Stroms wird weiterhin von der Bewag kommen. Auch bei Kurt Markert: Der Pensionär hatte zwar mit dem RWE-Konzern einen Liefervertrag geschlossen und wollte sich komplett aus Nordrhein-Westfalen versorgen lassen. Doch daraus wird einstweilen nichts.

Der Grund: Berlins Umweltsenator Peter Strieder (SPD) hatte als zuständiger Energieaufseher die Bewag darin unterstützt, dass das einzige bislang existierende Verbindungskabel ins westdeutsche Hochspannungsnetz mit maximal 400 Megawatt elektrischer Leistung aus Importstrom belastet werden kann. Mehr passe einfach nicht durch, so Bewag und Strieder. Ob diese Position korrekt ist, wird gegenwärtig vor Gericht geklärt. So lange kann das Bundeskartellamt nur die Durchleitung einer Teilmenge des Berliner Strombedarfs verordnen. Damit nicht einige Großkunden die gesamte Importkapazität für sich beanspruchen und die Kleinverbraucher auf ihren hohen Rechnungen sitzenbleiben, entschieden die Kartellaufseher deshalb, dass jeder Kunde bis zu einem Drittel seiner Energiemenge von außerhalb beziehen kann.

Kartellamts-Chef Wolf ließ keinen Zweifel daran, dass die Bewag-Anordnung nur der erste Streich sei. Seine Behörde sei nicht länger bereit, „lokale Monopole“ ungeschoren zu lassen. Nicht nur die großen Energieversorger, sondern auch die Stadtwerke müssten Importstrom durch ihre Leitungen zu den Kunden schicken. „Damit verbundene wirtschaftliche Nachteile gehören eben zum Wettbewerb“ meinte Wolf.

Um die Durchleitung von Strom in die bisherigen Monopolgebiete gibt es gegenwärtig einige Auseinandersetzungen. Während einige Versorger den Transport komplett verweigern, verlangen andere Gebühren für die Netznutzung, die den Wechsel für die Kunden uninteressant, weil zu teuer machen.

Die Bewag kann die Entscheidung des Kartellamtes jetzt vor dem Berliner Kammergericht anfechten. Wenn sie das nicht tut, muss sie ab 4. Oktober durchleiten. Die Wettbewerbsbehörde beschäftigt sich mit dem Fall, weil die Lieferanten in spe, Energie Baden-Württemberg, Vasa-Energy und RWE, Beschwerde gegen die Bewag eingelegt haben. Die Beschwerdeführer unterbieten die Preise der Bewag teils um ein Drittel. Nebenbei untersagte das Kartellamt gleich noch, dass die bisherigen Monopolisten ihre Kunden zwingen, beim Wechsel des Versorgers einen neuen Stromzähler einzubauen. Die etwa 1.000 Mark Einbaukosten dienen manchem Alleinherrscher zur Abschrekkung.