Lange Haftstrafen für AIZ-Mitglieder

■ Oberlandesgericht blieb knapp unter den Strafanträgen der Bundesanwaltschaft. Keine „terroristische Vereinigung“

Düsseldorf/Berlin (AFP/taz) – Wegen vierfachen Mordversuchs und eines geplanten Mordes hat das Oberlandesgericht Düsseldorf gestern zwei frühere Studenten als Mitglieder der „Antiimperialistischen Zelle“ (AIZ) zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Der 31-jährige Bernhard Falk erhielt 13 Jahre, der 32-jährige Michael Steinau neun Jahre Gefängnis. Der Strafsenat hielt es nach fast zweijähriger Prozessdauer für erwiesen, dass beide 1995 vier glimpflich verlaufene Sprengstoffanschläge auf Wohnhäuser von CDU-Politikern und das peruanische Honorarkonsulat in Düsseldorf verübt haben. Außerdem bereiteten sie nach Überzeugung der Richter vor ihrer Festnahme im Februar 1996 einen weiteren Anschlag auf den SPD-Politiker Freimut Duve vor.

Skurril ist vor allem der ideologische Hintergrund der Verurteilten. Die beiden, die ihr Abitur unter den Jahrgangsbesten in Schleswig-Holstein ablegten, konvertierten zum Islam, bezeichneten sich als die „ersten schiitischen politischen Gefangenen“ in der Bundesrepublik. Sie erkoren den iranischen Revolutionsfüher Ajatollah Chomeini zu ihrem politischen und religiösen Führer. In der linken Szene erntete die AIZ nur noch Kopfschütteln, als sie 1995 in ihrem letzten Bekennerschreiben verkündete, sie habe den „Islam als revolutionäre Waffe in voller Schärfe und Schönheit“ kennen gelernt. In seinem Schlusswort hatte Michael Steinau von seinen Gotteserfahrungen und religiösen Ekstasen berichtet. „Er ist nicht mehr von dieser Welt“, bemerkte schießlich sogar sein Rechtsanwalt.

Der Staatsschutzsenat bezeichnete es als „reinen Zufall“, dass bei den Anschlägen keine Menschen schwer verletzt oder getötet wurden. Nach der Vernehmung von 228 Zeugen und 31 Sachverständigen sei die Beweislast gegen die Angeklagten „erdrückend“.

Das Gericht blieb mit seinem Urteil knapp unter den Strafanträgen der Bundesanwaltschaft, die 14 Jahre Haft für Falk und elf Jahre für Steinau gefordert hatte. Der aus Mönchengladbach stammende Falk hatte während des Mammutverfahrens zu den Vorwürfen geschwiegen; sein Mitangeklagter Steinau aus Rellingen gestand dagegen seine Beteiligung an drei Attentaten.

Nicht durchsetzen konnten sich die Ankläger aus Karlsruhe mit der Forderung, die Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ zu verurteilen. Die Gruppe habe spätestens seit 1995 nur noch aus den beiden Angeklagten bestanden. Laut Rechtsprechung müsse eine terroristische Vereinigung dagegen mindestens drei Mitglieder zählen. Der Verfassungsschutz hatte die AIZ Mitte der 90er Jahre noch als hochgefährliche Organisation eingestuft, die sich in unmittelbare Nachfolge der RAF gestellt habe. Geschätzt wurde damals, dass die AIZ über 20 bis 50 Mitglieder verfügen soll. Eine ziemliche Übertreibung, wie man heute vermutet. wg