■ Warum der Rentenvorschlag der Grünen richtig ist
: Familienpolitik nach Kassenlage?

Eines Tages werden Riester und Schröder den Grünen noch dankbar sein. Der Vorschlag, dass künftige Steuerentlastungen für Familien auch nach dem Jahr 2001 nicht mehr automatisch zu Rentensteigerungen führen sollen, mag als taktisch nicht sehr klug erscheinen. Aber es kann nicht falsch sein, Wahrheiten frühzeitig auszusprechen, statt in neue unhaltbare Versprechungen hineinzustolpern.

In dem heute (noch) geltenden System der Alterssicherung ist das Verhältnis der durchschnittlichen Rentenauszahlungen zu den eingezahlten Beiträgen, die „Rendite“, für die Geburtenjahrgänge der Zwanziger-, Dreißiger-, Vierzigerjahre noch relativ hoch. Sie würde aber für die späteren Jahrgänge unvermeidlich scharf sinken und sogar negativ werden. Wer heute ins Erwerbsleben einsteigt, müsste in dem geltenden System schon über 100 Jahre alt werden, um über die Rente seine Beiträge wieder hereinzuholen. Kurz: Die Jungen zahlen immer mehr und werden immer weniger bekommen.

Dass die Solidarität zwischen den Generationen so nicht funktionieren kann, hatte sogar die Regierung Kohl bemerkt. Blüms Reform beschränkte sich aber darauf, den Zeitpunkt, zu dem die „Rendite“ negativ wird, um ein paar Jahre zu verschieben. Da ist Riesters Plan schon besser: Er will von jetzt ab das Rentenniveau aller, die Rente beziehen, absenken, um so die „Rendite“ auf Dauer positiv zu halten. Dafür sollen sich die Rentenerhöhungen zwei Jahre lang an der Inflationsrate ausrichten.

Riesters Plan kann aber nur gelingen, wenn die bereits eingetretenen und noch zu beschließenden Steuererleichterungen, die sich auf die Nettolohnentwicklung unmittelbar auswirken, bis zum Ende des Jahres 2001 abgeschlossen sind. Gerade auf dem Feld der Familienpolitik ist aber – nicht nur wegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – auch für die Zukunft starker Handlungsbedarf zu erwarten, sollen Kinder nicht weiterhin als Armutsrisiko Nummer eins gelten. Wird die Hintertür, auf die die Grünen mit ihrem Vorschlag hingewiesen haben, nicht geöffnet, dann wird sehr bald die Situation entstehen, dass dringend erforderliche Erleichterungen für junge Familien mit Kindern nur deshalb nicht weiterverfolgt werden können, weil sie unbezahlbare Rentensteigerungen nach sich ziehen würden – Familienpolitik nach Kassenlage also. Die Grünen haben vorgedacht. Das verdient Respekt und keine Abmahnung. Urs Müller-Plantenberg

Der Autor ist Dozent für Soziologie an der FU Berlin