■ Türkei will Zugriff auf Kurden, die in Europa leben
: Ein Einschüchterungsversuch

Als 1995 das kurdische Exilparlament in der niederländischen Stadt Den Haag gegründet wurde, hatte die Türkei im Ausland alles in Bewegung gesetzt, um die Gründung zu verhindern. Dass es eine kurdische Frage gibt, die einer politischen Lösung bedarf, ist seitdem – auch durch die Aktivitäten dieses Exilparlaments – in der Weltöffentlichkeit unbestritten.

Nun will der türkische Geheimdienst MIT die Mitglieder dieses kurdischen Exilparlaments per Haftbefehl jagen und in die Türkei entführen.

Das politische Ziel ist klar. Die Diskussion um die kurdische Frage soll aufhören, die kurdische Diaspora soll in Angst und Schrecken versetzt werden. Auch das jetzt in der Türkei diskutierte Amnestiegesetz fügt sich in diese türkische Politik ein. Denn dieses Amnestiegesetz verdient den Namen nicht: Es schafft keine Freiheit für Andersdenkende. Die über 10.000 politischen Gefangenen bleiben zu 99 Prozent weiter in Haft. Die wenigen, die vielleicht freikommen, sind nur zur „Bewährung“ auf freiem Fuß. Werden sie „rückfällig“, setzen sie sich also erneut für Menschenrechte und kurdische Selbstbestimmung ein, droht ihnen noch härtere Haft. Auch die nun schon fünf Jahre inhaftierten Abgeordneten der Demokratie Partei (DEP) sollen in Haft bleiben.

Leyla Zanas Waffe war ihre kurdische Sprache und ihr Verlangen nach Anerkennung der kurdischen Identität. Ihre fortdauernde Haft beweist, dass es mit der türkischen Demokratisierung nicht weit her ist. So bleibt unterm Strich beim Amnestiegesetz nur die Freilassung der türkischen Mafia und der wenigen Staatsbediensteten, die in der Vergangenheit wegen Mord an Oppositionellen, Folterungen und anderen Taten verurteilt wurden. Die türkische Ankündigung, jetzt auch die Mitglieder des Exilparlaments in Europa jagen und womöglich entführen zu wollen, ist ein Signal. Das Signal, dass kritische, in Deutschland lebende KurdInnen das Opfer der neuen deutsch-türkischen Annäherung sein sollen.

Der Schutz, der KurdInnen bisher im Ausland und vor allem in Deutschland vor dem willkürlichen Zugriff der Türkei gewährt wurde, wird nun der Lächerlichkeit preisgegeben. Jeder Kurde, jede Kurdin muss jetzt damit rechnen, jederzeit entführt zu werden. Wenn der Fall Cevar Soysal Schule macht und ohne Folgen bleibt, dann werden Kurden als BürgerInnen dieses Staates in Angst und Ungewissheit gelassen. In einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik darf dies nicht geschehen. Kambiz Behbahani

Gebürtiger Iraner, lebt als freier Autor in Berlin