„30 Milliarden sind keine fixe Vorgabe“

■  Parteilinke rebellieren gegen das Sparziel des Kanzlers – nun auch bei den Grünen. Die Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach: „Jetzt erwischt es diejenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen, die keine Lobby haben, sich zu wehren“

taz: Die Linke in der SPD-Fraktion bemüht sich intensiv um Alternativen zu den 30-Milliarden-Kürzungen im Sparpaket – und bei den Grünen herrscht Grabesruhe?

Annelie Buntenbach: Natürlich gibt es auch bei uns kritische Diskussionen zum Konsolidierungsprogramm. Man kann nicht nur die Ausgaben des Staates begrenzen, sonst trifft man all diejenigen, die gerade auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Das deckt sich nicht mit dem Ziel sozialer Gerechtigkeit.

Was ist Ihr Konzept?

Man kann genauso auf der Einnahmeseite des Staates ansetzen. Nicht nur ich denke da an die Vermögens- oder Erbschaftssteuer oder die zweckgebundene Vermögensabgabe. Ich halte die politische Grundentscheidung dieses Haushalts für falsch. Man orientiert sich an der Angebotsseite, das heißt, man versucht, Unternehmer und Besservedienende zu entlasten, und erhofft sich davon, dass Arbeitsplätze entstehen.

Und das funktioniert nicht?

Das hat man schon unter der Regierung Kohl gesehen. Dieses Geld schafft nicht neue Arbeitsplätze, sondern vagabundiert an den Börsen. Und wenn investiert wird – dann in Rationalisierungen, die Jobs kosten und keine schaffen. Die soziale Lastenverteilung ist ungerecht.

Welche Gruppen sind belastet?

Bisher wird nur von den Einbußen der Rentner gesprochen. Noch viel stärker werden die Arbeitslosen und Sozialhilfeberechtigten betroffen sein. Die Kürzungen unter Kohl haben den Kern der Facharbeiterschaft getroffen – etwa mit der Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Jetzt erwischt es diejenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen, die keine Lobby haben, sich zu wehren.

Ein Beispiel?

Sozialhilfeberechtigte. Die profitieren kein bisschen von den Steuersenkungen oder der Kindergelderhöhung, die wir beschlossen haben. Sie zahlen keine Steuern, und das höhere Kindergeld wird ihnen von der Sozialhilfe wieder abgezogen.

Mit rechts und links hat das nichts zu tun, sondern mit der Logik von Sozialhilfe.

Es ist aber eine Links-rechts-Frage, ob es für uns das Ziel bleibt, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen. Hieran zu arbeiten ist die politische Aufgabe von Rot-Grün.

Der Kanzler argumentiert: Schuldenmachen ist unsozial.

Keine Frage, Staatsverschuldung ist ungerecht: Diejenigen, die Geld haben, kassieren die Zinsen – und aufbringen müssen es jene, die kein Geld besitzen. Die Frage ist bloß: Wer trägt die Staatsverschuldung ab? Für mich heißt das, wir müssen diejenigen stärker heranziehen, die starke Schultern haben.

Für die Beratung im Bundestag, die am Dienstag beginnt, hat ihr Fraktionsvorstand die Devise ausgegeben: Wer eine Maßnahme aus dem Sparpaket raushaben will, muss einen gleichwertigen Vorschlag bieten. Haben Sie Lust auf Gegenvorschläge?

Die rigide Kürzungsmarge von 30 Milliarden Mark ist für mich keine fixe Vorgabe. Der Zwang, der da aufgebaut wird, hat auch den Sinn, die Leute zu disziplinieren – und damit sie keine anderen Überlegungen mehr anzustellen.

Wie finden Sie, dass auch eine Linke, Fraktionssprecherin Müller, diese Disziplinierung betreibt?

Ich glaube nicht, dass ich Kerstin Müller überzeugen kann, gegen den Haushalt zu stimmen.

Gibt es noch eine gemeinsame Linke, die an einer Richtungsänderung im Sparpaket arbeitet?

Es gibt unterschiedliche Akzentsetzungen, auch innerhalb der Fraktionslinken. Ich und einige andere wollen konkret das Haushaltsgesetz 2000 verändern.

Werden Sie gegen das Sparpaket stimmen, wenn das nicht gelingt?

Ich hoffe nicht, dass ich in diese Verlegenheit komme.

Interview: Christian Füller