Verabredung am Roten Meer

Palästinenser und Israelis sind sich einig, dass sie sich fast einig sind. Heute Abend wollen sie in Ägypten ein Abkommen unterschreiben – im Prinzip  ■   Aus Jerusalem Susanne Knaul

„Beide Seiten sind sich deutlich näher gekommen“, erklärte US-Außenministerin Madeleine Albright gestern in Jerusalem. Die Ministerin hatte unmittelbar nach ihrem Eintreffen die Vermittlung zwischen Palästinensern und Israelis aufgenommen und sogar einen geplanten Krankenbesuch beim frisch an der Gallenblase operierten israelischen Präsidenten Eser Weizman abgesagt.

Trotzdem schafften es Israelis und Palästinenser nicht, sich noch rechtzeitig vor Beginn des jüdischen Sabbat am gestrigen Abend auf eine Formel zu einigen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seiner US-amerikanischen Amtskollegin erklärte Israels Außenminister David Levy: „Dann wird es eben keinen guten Schabbes geben, dafür aber eine gute Woche.“ Mit seinen Glückwunschworten „masel tow“ ließ er jedoch keinen Zweifel daran, dass beide Seiten heute Abend zur Unterzeichnungszeremonie zusammenkommen werden.

Den Termin hatte zuvor bereits der israelische Militärrundfunk unter Berufung auf Regierungskreise genannt. Kurz darauf meldete auch die ägyptische Nachrichtenagentur Mena, Palästinenserpräsident Jassir Arafat habe den Termin bestätigt.

Der zunächst für Donnerstag geplante und dann auf Freitagnachmittag verschobene Vertragsabschluss scheiterte letztendlich nicht an der seit Tagen umstrittenen Frage einer Amnestie für in israelischen Gefängnissen einsitzende Palästinenser. Die palästinensischen Unterhändler gaben dem anfänglichen israelischen Angebot nach und stimmten schließlich einer Amnestie von nur 350 anstelle der geforderten 400 Gefangenen zu. Bei den vorläufig ausgesparten 50 Männern handelt es sich um Häftlinge, die nach israelischer Definition „Blut an den Händen haben“. Am Vortag hatte es von palästinensischer Seite noch geheißen, die Israelis seien bereit, 357 beziehungsweise 370 Gefangene freizulassen.

Auf beiden Seiten hatten sich im Verlauf der Verhandlungen Bürgerinitiativen formiert. In der Knesset sprachen die Angehörigen von Terroropfern vor, um eine „Amnestie der Mörder“ zu verhindern, während im Gaza-Streifen die Angehörigen der inhaftierten Palästinenser auf die Straße gingen. Dass Arafat schließlich nachgab, lag am starken Druck aus Washington und Kairo.

Kaum war die Amnestiefrage geregelt, zeigte sich gestern schon der nächste Konflikt. Arafat beharrte darauf, einen Paragraphen zu streichen, der ihm unilaterales Vorgehen untersagt. Konkret geht es um die mögliche Ausrufung eines Palästinserstaates am 4. Mai 2000. Die Israelis hofften auf eine Verschiebung der Staatsgründung bis zum Abschluss der sogenannßten Endstatus-Verhandlungen, was bis zum September 2000 passieren soll. Arafat rief gestern Nachmittag sein Kabinett zusammen, um die Vereinbarungen von seinen Ministern bestätigen zu lassen, damit der geplanten Unterzeichnung im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich am Roten Meer nichts mehr im Wege steht.