Da werden Trainer zu Alkoholikern

■ Chris Merrit, der Head Coach der Hamburg Blue Devils, muss anerkennen, dass der Kieler Quarterback Grovesteen der beste der Liga ist und wird darüber gleich dreißig Jahre älter

“Letzte Woche war ich noch 34, inzwischen bin ich 94 Jahre alt“, erklärte Chris Merritt, der Head Coach des American-Football-Vereins, den Hamburg Blue Devils, nach dem Spiel gegen die Kiel New Yorker Hurricanes am letzten Samstag im Volksparkstadion. Dreißig Jahre seines Lebens kostete Merritt der knappe Sieg gegen die Cologne Crocodiles in der Vorwoche, in dem Kicker Timo Erbs in der letzten Spielsekunde durch ein Field Goal das 15:13 schoss. Dreißig weitere Jahre gingen auf das Konto des vorletzten Bundesligaspiels vor den Playoffs gegen den Erzrivalen von der Förde.

Das klare Ergebnis von 42:34 spiegelt nicht den Football-Krimi wieder, der sich den über 10.000 ZuschauerInnen bot. Im ersten Viertel ließ noch nicht ahnen, was kommen sollte. Die Devils erzielten die ersten Punkte: Mit einem kurzen Lauf durchstieß Martin Heelam die Abwehr der Canes zum Touchdown, den Kicker Erbs wie gewohnt mit einem Extrapunkt zum 7:0 abschloss. Und gleich zweimal gelang der Hamburger Abwehr das Kunststück, einen Passversuch vom Kieler Quarterback Tyler Grovesteen abzufangen.

Zu einem wahren Touchdown-Festival verwandelte sich dann das zweite Viertel: Beide Mannschaften legten je drei Mal das Lederei in das Nest des Gegners. Die Blue Devils eröffneten den Reigen mit einem Pass von Quarteback Dino Bucciol auf Bruce Reid und einem Extrapunkt von Erbs zum 14:0: Die Canes konterten mit einem Pass von Grovesteen auf Timo Gross, dessen Versuch eines Extrapunktes misslang: 14:6. Anschließend glänzte der Neuzugang der Devils, Toraino Singleton, mit einem Touchdown-Lauf, dieses Mal versagte Erbs. Neuer Spielstand: 20:6.

Im Gegenzug fing Rick Horner den 31-Meter-Pass von Grovesteen in der Endzone der Hamburger. Doch statt des üblichen Kicks erzielten die Kieler mit einem Laufspiel zwei Extrapunkte (Two-Point-Conversion) zum 20:14. Doch das konnte den Blauteufeln nicht imponieren: Quarterback Bucciol warf das Lederei auf Max von Garnier zum 26:14 und Simon Morris erhöhte durch eine Two-Point-Conversion auf 28:14. Auch die Canes blieben hartnäckig: Ein Lauf von McKennie markierte den Halbzeitstand von 28:20.

Im dritten Viertel zogen die Hurricanes zum verdienten Gleichstand nach: Grovesteen passte auf Horner und McKennie gelang eine Two-Point-Conversion. Im letzten Viertel holten beide Teams alles aus sich heraus: Edward Keyes und Erbs erhöhten für die Blauteufel auf 35:28. Kiel schloss mit einem Laufspiel von Chris Hicks zum 35:34 auf. Doch der Versuch, mit einer Conversion die Führung zu übernehmen, scheiterte. Nur wenige Sekunden vor Spielende gelang dem Hamburger Abwehrspieler Darrel Hinton ein Glanzstck: Er fing den Pass von Grovesteen ab, lief mit dem Ball übers ganze Spielfeld und erzielte einen Touchdown, den Erbs zum Endstand von 42:34 erhöhte.

Die Wahl der „most valuable player“ (MVP) war klar: Auf Seiten der Kieler wurde Grovesteen gekürt, der wieder einmal bewies, dass er der Beste auf dieser Spielerposition in der German Football League ist: Trotz höchster Bedrängung durch die Hamburger Defense behielt er einen kühlen Kopf, schlängelte sich durch die Lücken oder warf den Ball sicher auf seine Receiver. Bei den Devils wurde Darrell Hinton zum MVP gewhlt.

Nach diesem spannenden Football-Krimi verstand Devils-Präsident Axel Gernert, weshalb in Amerika viele Trainer Alkoholiker werden, fügte aber hinzu: „So kann Football aussehen, so muss Football sein!“ Edwin Feindt