Der erbitterte Kampf um jedes gesprochene Wort geht weiter

■ Der Informationskrieg ums Kosovo ist verfahren. Die Kosovo-Serben sind fast komplett von Informationszufuhr abgeschnitten, die Albaner auf Fremdinfos angewiesen. Nun soll der zweisprachige Sender RTK Abhilfe schaffen

Wien (taz) – Die Situation erinnert an den kalten Medienkrieg zwischen Radio Free Europe und sowjetischen Störsendern Mitte der 80er-Jahre: Im Kosovo wird um jedes Wort im Äther gekämpft. Um die Kosovo-Serben von der Propaganda aus Belgrad fernzuhalten, ist für die KFOR-Truppen jedes Mittel recht. Da werden serbische Sendeanlagen und Sendemasten zerstört, Radio- und Fernsehberichte mit Störprogrammen überlagert.

Auf einer Tagung der Europäischen Rundfunkunion (EBU) in Genf wurde dieses Vorgehen am vergangenen Donnerstag abgesegnet, obwohl es internationalem Medienrecht widerspricht.

Nach einem ausgetüftelten Konzept sind weltweit alle technisch möglichen Funkfrequenzen so an Staaten und Organisationen vergeben, dass eine Überschneidung des Empfangs verschiedener Programme ausgeschlossen ist. Selbst in Krisenzeiten, etwa der Berlin-Blockade Ende der 40er-Jahre, hielten sich Ost und West an diese Regeln. Als die Sowjetunion einmal ein Netz von Störsendern errichtete, mit denen westliche Kurzwellenprogramme die osteuropäischen Ballungszentren nur noch schwer erreichen konnten, war dies ein Grund, einige osteuropäische Staaten aus der EBU auszuschließen.

Nun bedient sich die EBU genau dieser Mittel. Rund um Serbien wurde seit Juni ein dichtes Netz von UKW-und Mittelwellen-Stationen errichtet, die rund um die Uhr westliche Sendungen von der Deutschen Welle, der britischen BBC und von Voice of America ins „Feindesland“ übertragen – oftmals auf der Frequenz von Radio Belgrad. Aus dem bosnischen US-Stützpunkt Tuzla werden außerdem die serbischen Fernsehprogramme gestört oder mit kroatischen TV-Sendern belegt.

Um jede Ausbreitung serbischer Propaganda zu unterbinden, wurden außerdem Relais-Stationen abgeschaltet oder zerstört, die Belgrad in Bosnien und Makedonien angemietet hatte. Der spektakulärste Zwischenfall ereignete sich am 16. August, als französische Truppen der Kosovo-Friedensstreitmacht den 192 Meter hohen Fernsehturm auf dem Berg Mokra Gora bei Zubin Potok sprengten, über den das zweite Programm des Belgrader Fernsehens ins Kosovo ausgestrahlt worden war. US-Bomber hatten den Turm zuvor mehrmals verfehlt.

Die Kosovo-Serben sind mittlerweile fast vollständig von Informationen abgeschnitten. Der Vertrieb serbischer Zeitungen brach wenige Tage nach dem KFOR-Einmarsch ins Kosovo völlig zusammen, und vom „multiethnischen“ Radio Priština ist wenig zu hören. Der Sendebetrieb ist zwar offiziell seit 18. Juli wieder aufgenommen – doch provisorisch, ohne politisches Konzept und mit vielen technischen Schwächen. Provinzweit ist der Sender noch nicht zu hören, die Sendungen in serbischer Sprache dauern täglich lediglich 60 Minuten und sind hauptsächlich auf Unterhaltung abgestimmt.

Doch auch die Albaner klagen. Radio Priština übernimmt in albanischer Sprache hauptsächlich Sendungen, die in den Studios der Deutschen Welle in Köln, der BBC in London oder von Radio Free Europe in Prag erstellt und geschnitten wurden. Auch die einzige albanischsprachige Tageszeitung vor Ort, Koha Ditore, füllt ihre Seiten weitgehend mit Berichten westlicher Quellen und Übersetzungen aus europäischen Zeitungen. Wer diese Fremdsender nicht hören will, schaltet als letzte Alternative Radio Tirana ein – um dann die totale Propaganda zu bekommen. Das Mutterlandsradio ist voll auf UÇK-Kurs und kennt nur ein Thema: die Unabhängigkeit des Kosovo.

In zwei Wochen soll sich diese verfahrene Mediensituation schlagartig ändern. Dann wird die zweisprachige Station Radio Television Kosovo (RTK) ihren Betrieb aufnehmen, so wurde es auf der EBU-Tagung in Genf entschieden. RTK soll mit vorwiegend vor Ort produzierten Nachrichten arbeiten, und zwar in albanischer und serbischer Sprache.

Karl Gersuny