Querspalte

■ Arthur Schnitzler sieht „Eyes wide shut“

Wie lange wird denn das noch dauern? Ich muss auf die Uhr schauen ... schickt sich wahrscheinlich nicht hier bei der Europa-Premiere ... Mir kommt vor, ich sitz schon drei Stunden vor der Leinwand. Also Geduld, Geduld! Was guckt mich denn der Kerl dort immer an? Mir scheint, der merkt, dass ich mich langweil und nicht herg'hör'... dieser neumodische Kram ... „Eyes wide shut“ nennen s' meine Traumnovelle, und nicht in Wien spielt's, sondern in New York ... und diese Namen: Bill statt Fridolin, und Alice für Albertine. Die Amerikaner haben eben keinen Respekt ... na, bevor ich mich allzu sehr echauffier, schau ich mich noch ein bisserl um ... Heiß wird's, wär ich doch besser in Wien geblieben und in den Prater spaziert ... nein, muss ich auf meine alten Tage noch eine Voyage nach Venedig machen ... bravo, bravo! Ah, aus! ... So, das tut wohl, aufstehn können, sich rühren ... Ist das ein Gedränge! Oh, da sind die Frau Kidman und der Herr Cruise tatsächlich ... „Servus, auch Sie nach Italien gereist, sehr erfreut!“ Puh, hat aber einen feuchten Händedruck, der Junge. „Gnä' Frau, habe die Ehre!“ Fesches Maderl, na, ich hätt nicht nein g'sagt ... schad', dass sie mich nicht g'fragt hat! Würd mich ja doch mal interessieren, ob die beiden vor der Kamera ... also, ich kann's mir ja nicht vorstellen ... muss ich mal dem alten Sigmund Freud ein Brieferl schreiben ... was der wohl davon hält ... hmm, aber dieser Film ... passt mir nicht, was der Herr Kubrick da fabriziert hat ... und mein Name ist mit im Spiel ... immer diese Leute, die sich in Dinge dreinmengen, von denen s' nichts verstehn ... Wär er noch am Leben und ich ein paar Jährchen jünger ... ich würde mich mit ihm duellieren ... aber so, na ja, wo ist denn die Garderobe, schnell meinen Mantel und raus hier ... immerhin hat mich keiner erkannt.

Jutta Heeß
‚/B‘