Die UNO kapituliert vor Mord und Terror in Osttimor

■  Das Personal der Vereinten Nationen wird evakuiert. Außenminister notfalls für Friedenstruppe

Jakarta/Berlin (taz) – Zermürbt vom Terror in Osttimor will die UNO heute ihr Hauptquartier in der Hauptstadt Dili schließen. Alle 200 ausländischen Mitarbeiter der UNO-Mission (Unamet) sollen am Vormittag evakuiert werden. Über die Rettung des lokalen Unamet-Personals und der 2.000 Flüchtlinge auf dem Gelände wurde noch verhandelt. Indonesiens Behörden sei „ganz klar gesagt worden, dass auch die einheimischen Mitarbeiter und ihre Familien mit uns abreisen“, erklärte Unamet-Sprecher Brian Kelly.

Nach langem Schweigen äußerte sich gestern erstmalig der grüne Bundesaußenminister Joschka Fischer zur „Politik des Massenterrors und der Vertreibung in Osttimor“, die er im Namen der Regierung „mit Nachdruck“ verurteilte: „Indonesien muss jetzt handeln, oder eine Friedensmission muss die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten.“ Der außenpolitische Berater des Bundeskanzlers, Michael Steiner, sprach sich gegen den Einsatz einer UN-Friedenstruppe zum jetzigen Zeitpunkt aus. Dies wäre verfrüht, so Steiner im Rundfunk. Regierungssprecher Uwe-Carsten Heye schloss eine Beteiligung deutscher Soldaten aus. Chinas Staatspräsident Jiang Zemin lehnte gestern eine UN-Truppe ab. Sie müsste vom Sicherheitsrat beschlossen werden, in dem China Vetorecht hat.

An der gestrigen Sitzung des Sicherheitsrates hinter verschlossenen Türen nahm auch UN-Generalsekretär Annan teil. Westliche Diplomaten bezweifelten vor Beginn der Zusammenkunft am Abend, dass bereits ein Beschluss über die Entsendung einer internationalen bewaffneten Einsatztruppe für Osttimor fallen könnte.

Eine Delegation des UN-Sicherheitsrates, die in Jakarta mit Außenminister Ali Alatas über die Situation in Osttimor verhandelte, hat nach indonesischen Angaben nicht über den Einsatz von Friedenstruppen gesprochen, sondern allgemein über Verbesserungen der Sicherheit. Indonesien will eine ausländische Friedenstruppe in Osttimor auf keinen Fall akzeptieren: „Sie müsste sich schon den Weg freischießen“, sagte Alatas.

Damit hat die UNO vor den proindonesischen Milizen und ihren Hintermännern im Militär kapituliert. „Wenn Unamet Osttimor verlässt, wird der Genozid beginnen“, sagte der osttimoresische Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta in New York. Niemand weiß, wie viele Menschen bereits ermordet wurden. Ganze Dörfer gingen in Flammen auf. Seitdem Präsident B. J. Habibie am Dienstag auf Druck der Armee das Kriegsrecht über Osttimor verhängt hat, sind die Telefonleitungen tot. In der Stadt Baucau stürmten Milizen den Sitz von Bischof Basilio do Nascimento, in dem hunderte Menschen Schutz gesucht hatten. Der Bischof floh verletzt in die Berge. 60.000 Menschen gelangten inzwischen über die Grenze ins indonesische Westtimor. Jutta Lietsch, Sven Hansen

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