Höllen-Holler

Ab Januar steht Bernd Hollerbach nicht mehr auf der Gehaltsliste in Kaiserslautern, sondern auf der des HSV. Na und? Einige Anhänger seines Ex-Clubs, dem FC St. Pauli, allerdings scheint der Wechsel getroffen zu haben wie der Tod eines guten Freundes. Doch nicht Holler, dieser grundanständige Bub!

Kaum hatten sie die Erkenntnis gewonnen, daß die Judas-Faktor-Skala nach oben offen ist, begannen sie ihren Unmut zu äußern. Also riefen sie die Redaktion ihrer Frühstückszeitung oder auf der Geschäftsstelle an – wahrscheinlich wollten einige auch mit Henning Voscherau über den skandalösen Vorgang reden, aber der war wohl gerade unterwegs.

Damit wir uns nicht mißverstehen: Ein Fan muß sich mit seiner Elf identifizieren; ohne das Phantasma, daß „wir“ und die Spieler eine Einheit seien, ist Fußball-Leidenschaft nicht möglich. Man muß also bewußt die Realität verkennen, und manch kluge Anhänger haben damit Probleme – als ob es nicht genug Widersprüche gäbe, die viel schwerer auszuhalten sind.

Ein Fußballer muß sich nicht mit Fans oder Verein identifizieren. Für Profis ist die Mannschaft eine Zweckgemeinschaft, auch wenn viele von ihnen aus marketing-strategischen Gründen gelegentlich behaupten, sie sei mehr. So sollte es für einen Fan nicht der Rede wert sein, falls einer „seiner“ Spieler zu einem verhaßten Rivalen wechselt.

Immerhin können sich die Pauli-Fans zugute halten, daß ihnen zumindest im Unterbewußtsein lange klar war, was Hollerbach für einer ist. Wenn bei den letzten Spielen der Stadionsprecher die Mannschaftsaufstellungen verlas, titulierten sie die gegnerischen Kicker nicht mehr wie früher als „Arschloch“, sondern riefen „Hollerbach“ im Chor. Gewiß, das war Nonsens. Aber wenn sie es in Zukunft tun, werden sie es ernst meinen. R. Martens