Falsche Plätze für Bildschirme

■ Trotz Schutzberatung stellen Mitarbeiter ihre Computer wieder um

Seit die Bildschirmverordnung vorschreibt, dass jeder deutsche Bildschirmarbeitsplatz bis zum Jahresende auf Schädlichkeit hin überprüft werden muss, kommen betriebliche Gesundheitsapostel verstärkt ins Schwitzen. Die Haltung der Beschäftigten, um deren Gesundheit es doch geht, bereitet ihnen nämlich grösstes Kopfzerbrechen – vor allem die geistige Haltung. Denn sie ist die Voraussetzung dafür, dass gesundheitsfördernde Umbauten am Computerarbeitsplatz oder Änderungen am Rechnerprogramm akzeptiert werden. Doch lange nicht alle Bremer BildschirmarbeiterInnen lassen sich von den europaweit geltenden Richtlinien für die Ausstattung ihrer Arbeitsplätze beeindrucken.

„Bei manchen Kollegen müssen wir die Hardware sogar mehrmals fachgerecht aufstellen“, sagt beispielsweise Tom Müllerstedt, beim Bremer Gesundheitsamt extra als edv-Koordinator eingestellt. „Jedesmal, wenn wir wieder vorbei kommen, stehen die Geräte, als ob wir nie gesagt hätten, wie es richtig ist“, stöhnt er. Dieses Problem kennt man auch bei Siemens. Im Elektronik-Konzern gelten vor allem die Programmierer als beratungsresistent. „Keine Ahnung, wie deren Rücken das aushalten. Die liegen ja förmlich vorm Bildschirm“, rätseln Betriebsräte, die für den Arbeitsschutz zuständig sind und die Standorte der Bildschirme (nicht am Fenster, im Mindestabstand von 60 Zentimeter zu den Augen etc.) überprüfen. Sie wissen zugleich: Die Gründe für die Weigerung, es „richtig“ zu machen, sind vielfältig.

„Manche Leute stellen den Bildschirm immer wieder ans Fenster, weil sie bei der Arbeit auch mal rausschauen wollen“, stöhnen Fachleute. Andere Beschäftigte halten sich für körperlich fit und unverletzlich. Dieser Glaube ist aus der Sicht von BetriebsrätInnen und ArbeitsschützerInnen das grösste Hinderniss im Umbau des Arbeitsplatzes am Computer. „Gesundheitsschäden durch falsche Haltung werden nämlich erst langfristig spürbar. Solange machen viele Leute, was sie wollen.“

Dabei ist die Liste der Zipperlein und Krankheiten, die durch schlechte Arbeitsbedingungen am Computer gefördert werden, lang. „Aber wenn man sie spürt, liegt das Kind schon im Brunnen“, warnt auch Harm Ehmke, Betriebsrat bei DaimlerChrysler Aerospace. Seit einer groß angelegten Betriebsbefragung ist dort bekannt, welche Unmengen von Beschwerden – von Fingerschmerzen über Augendrücken bis zum Bandscheibenvorfall – die Beschäftigten auf Bildschirmarbeit zurückführen. Vieles, was bislang für persönliche Schwäche oder Veranlagung gehalten wurde, wird im Betrieb seither ernst genommen. „Da mussten wir richtig umdenken“, sagt Ehmcke. „Viele halten Büroarbeit ja bis heute für eine leichte Tätigkeit.“ Die wenigsten ahnten, wie hoch die Belastung des Körpers beim Sitzen vorm Bildschirm wirklich sei.

Auch seelische Störungen, von der Schlaflosigkeit bis zur Depression, würden dadurch hervorgerufen. Auch in diesem Zusammenhang wird von „ergonomischer Software“ gesprochen: Die Programme dürfen den Arbeitsablauf nicht stören, sonst müssen sie geändert werden. ede