Unwiderruflich: Ruhe auf dem Minarett

■  Gestern wurde der Grundstein für eines der größten islamischen Gotteshäuser Deutschlands gelegt. Schon jetzt hat Neukölln den Gesang der Vorbeter verboten: Christliche Kirchen dürften auch nicht bimmeln, wann sie wollten

Am Columbiadamm in Tempelhof ist gestern der Grundstein für die größte türkische Moschee Berlins gelegt worden.

Sechs Millionen Mark soll die Moschee kosten. Sie wird nach osmanischem Vorbild mit Kuppelbau und Minaretten auf dem islamischen Friedhof errichtet, der seit mehr als 200 Jahren Eigentum des türkischen Staates ist.

Verantwortlich für das Projekt, welches bereits vor mehr als zwei Jahren begonnen wurde, ist die Türkisch-Islamische Union (DITIB). Ismail Tanriver, Vereinsvorsitzender der Sehitlik-Moschee, gestern bei der inzwischen zweiten Grundsteinlegung anwesend, geht von einer dreijährigen Bauzeit aus. Die Verzögerungen hingen damit zusammen, dass das Gotteshaus ausschließlich über private Spenden finanziert werde.

Der Einladung zur Grundsteinlegung war neben türkischer Prominenz auch die Ausländerbeauftragte der Stadt, Barbara John, gefolgt. Sie zitierte in ihrer Rede Friedrich den Großen: „Und wollten Türken und Heiden nach Berlin kommen, so würden wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen.“ Damit unterstrich sie Ergebnisse einer Umfrage unter der Berliner Bevölkerung, die sich mit großer Mehrheit für den Bau einer repräsentativen Zentralmoschee ausgesprochen habe.

Auch Kenan Kolat, Geschäftsführer des Türkischen Bundes, begrüßt den Bau der Zentralmoschee. „Die Hinterhof-Moscheen sind doch letztlich nur als Übergangslösung anzusehen“, sagt er. „Es wird höchste Zeit, dass türkische Gotteshäuser als hier verankerte Institutionen erkennbar sind.“ Kolat hält es für besonders wichtig, dass die Sehitlik-Moschee eine „offene“ Moschee werde. Sowohl Führungen als auch Tage der offenen Tür sollen künftig dazu beitragen, die islamische Religion transparenter und zugänglicher zu machen.

Die Sehitlik-Moschee war ursprünglich als größte Gebets- und Kulturstätte des Islam in Deutschland geplant. Die Minarette sollten 43 Meter hoch in den Himmel ragen, und „neben der Moschee sollten Supermärkte und Teestuben entstehen“, erklärt Wolfgang Borowski, der Leiter des Stadtplanungsamtes in Neukölln. Diesem Vorhaben konnte die Bezirksverordnetenversammlung allerdings nicht zustimmen. Borowski: „Nicht nur, weil der Bau zu dominant für das Stadtbild geworden wäre, sondern vielmehr, weil wir der Auffassung sind, dass Supermäkte und Teestuben nicht auf ein Friedhofsgelände gehören.“ Im neuen Bebauungsplan seien diese gestrichen worden, und für die Minarette sei nur noch eine Höhe von maximal 24 Metern vorgesehen.

Laut Borowski ist auch der Einsatz eines Muezzins momentan mehr als fraglich. Ismail Tanriver sagt, von Seiten der Moschee sei diesbezüglich noch gar kein Antrag gestellt worden. Dennoch hat sich das Bezirksamt Neukölln nach Aussage von Wolfgang Borowski bereits unwiderruflich gegen den Ruf des Muezzins ausgesprochen. „Selbst evangelische Kirchen dürfen nur zu speziellen Anlässen ihre Glocken läuten“, sagt Borowski. „Warum sollten die Moslems eine Sondergenehmigung bekommen?“

Songül Çetinkaya