Einfach anders als andere

Bei der Kurzstrecken-Weltmeisterschaft im kanadischen Montreal will der eigenwillige Triathlet Lothar Leder am Wochenende beweisen, dass sein Weg der richtige ist    ■ Von Frank Ketterer

Darmstadt (taz) – Fast gleitet der Bundestrainer ins Schwärmerische ab, wenn er von Lothar Leder spricht. „Ein Topathlet, der ganz genau weiß, was er will“, sagt Reinhold Häußlein, sei der Mann aus Darmstadt, ein „Kerl mit Kämpferherz“ eben, einer, der stets „Leistung bringt, wenn es darauf ankommt“. Es ist wirklich schön, dass der Triathlon-Bundestrainer seinen Topathleten so über den grünen Klee lobt, schon weil das ganz bestimmt eine Menge Selbstvertrauen gibt für die Kurzstrecken-Weltmeisterschaft im kanadischen Montreal an diesem Wochenende.

Selbstverständlich waren solch liebevolle Worte in jüngster Vergangenheit hingegen keineswegs. Mächtig geknirscht hatte es zuletzt zwischen Häußlein und Leder. Nach fünfeinhalbmonatigem Aufenthalt auf eigene Kosten in Australien, wo Leder mit den Weltbesten des Kurzstreckenfachs trainiert hatte, wollte Häußlein den 28-Jährigen im Frühjahr gleich weiter in ein Trainingslager des Verbandes auf Lanzarote jagen. Leder lehnte dankend ab, es fiel das ein oder andere nicht ganz so nette Wort, und schließlich strich der Bundestrainer dem Darmstädter sämtliche finanzielle Unterstützung seitens der Deutschen Triathlon Union (DTU), was einem Rauswurf gleichkam.

Lothar Leder denkt nicht gerne an diese Zeit zurück. Zum einen schien Sydney, wo Triathlons Kurzform (1,5 km Schwimmen, 40 km Rad fahren, 10 km Laufen) in einem Jahr die Olympischen Spiele eröffnet, für ihn als Einzelkämpfer in fast unerreichbare Ferne gerückt; zum anderen wurde so mancher Sponsor durch die Querelen doch arg erschreckt.

„Das ganze Theater hat mich unheimlich angekotzt“, sagt Leder. Als ihm bei den Deutschen Meisterschaften im Juli in Frankfurt, die er zur Demonstration seiner Überlegenheit nutzen wollte, dann auch noch die Kette riss nach nur fünf Kilometern auf dem Rad, war er dicht davor, den Krempel hinzuschmeißen und sich wieder auf die Langstrecke (3,8 km/180 km/42,195 km) zu konzentrieren, wo er zuletzt zweimal Dritter geworden war beim medienträchtigen Hawaii-Ironman.

Leder hat nicht hingeschmissen, sondern gekämpft. „Ich ziehe mein Ding durch, auch wenn ich damit anecke“, sagt der nicht immer pflegeleichte, aber mit Abstand talentierteste Kurzstreckler Deutschlands. Das knallharte Training down under schlug bestens an und in Leistung um. „Seither ist mein Niveau ziemlich hoch“, sagt Leder – und seine Ergebnisse sind ziemlich gut: Beim Weltcup-Rennen im Juni in Belgien wurde er Elfter, zwei Monate später in Ungarn war es gar Rang acht. Bessere Platzierungen hat keiner aus der eher zweitklassigen DTU-Riege vorzuweisen, zudem führt Leder den Europacup an.

Kein Zweifel, der Mann aus Darmstadt hat sich in eigener Regie rangerobbt an die vorderste Weltspitze. Was schon an seiner Zielsetzung für morgen deutlich wird. „Ein Platz in den Top Ten“, hat Leder bei der WM in Montreal anvisiert. „Das käme echt cool“, sagt er, bester Deutscher wäre er damit ohnehin so gut wie sicher. Womit wohl auch der Bundestrainer rechnet, der in Sachen Leder einen ziemlichen Salto rückwärts aufs Parkett gelegt hat. Nicht nur, dass der Darmstädter seine Wettkämpfe wieder von der DTU bezahlt bekommt, auch in Häußleins interner Hitliste ist Leder vom Querulanten zum Leistungsträger aufgestiegen. „Er ist meine Nummer Eins“, bekennt sich der Bundestrainer seit neuestem zu Leder.

Dabei ist sich Häußlein durchaus im Klaren darüber, dass Leder sich auch in Zukunft kaum zum Musterschüler der DTU wandeln wird, zu unterschiedlich sind nach wie vor die Auffassungen, wie auf der Kurzstrecke richtig zu üben sei. „Die trainieren fast doppelt so viel wie ich“, kritisiert die neue Nummer eins das Pensum seiner DTU-Kollegen, „deutlich zu viel“ ist Leder das nach wie vor. Er hält es auch weiterhin lieber mit den auf der Kurzstrecke dominierenden Australiern, die für Triathlonverhältnisse „sehr, sehr wenig, aber sehr, sehr hart“ trainieren. Genau das entspreche auch seinem Naturell, meint der Darmstädter.

Reinhold Häußlein will das künftig akzeptieren, eine andere Wahl hat er ohnehin kaum. Schließlich stimmen bei Leder die Resultate, was für die Bilanz des Bundestrainers wichtig ist. Die sieht bei den Männern auch in dieser Saison wiederum äußerst mau aus, weshalb der 50-Jährige nach der WM gnadenlos Resümee ziehen und den Kader im Hinblick auf die im nächsten Jahr anstehende Olympiaqualifikation verkleinern möchte. „Da werden nur noch Leute drin sein, die hinter dem Verband und unseren Planungen stehen“, kündigt der Bundestrainer an, will seine Prophezeiung aber sogleich um ein wichtiges Detail ergänzt wissen: „Lothar Leder lasse ich da außen vor. Er ist einfach anders als andere.“ Vor allem aber: „Er bringt Leistung.“