Das Portrait: Beleidigtes Ostgewissen
■ Regine Hildebrandt
Regine Hildebrandt will sauber sein ohne CDU-General Foto: Reuters
Regine Hildebrandt, Sozialministerin in Brandenburg und das „schrille Ostgewissen der SPD“ (Spiegel) hat einiges überlebt. Privat den Brustkrebs, politisch die „Zwischenlagerung“ von Fördermitteln in ihrem Ministerium, bei der ihr die Staatsanwaltschaft jedoch keine persönlichen Vorteile nachweisen konnte. Der märkischen CDU war das gleich, sie beschimpfte die „Jean d'Arc der Sozialstaatlichkeit“ (Spiegel) als „Sozialtante“ und hofft seit Jahren auf ihren Rücktritt. Den hat die 58-Jährige jetzt angedroht. „Leute, ich kann es nicht“, rief sie am vergangenen Freitag empört, als der Landesausschuss ihrer Partei sich dafür aussprach, mit der CDU zu koalieren. Was CDU-Chef Jörg Schönbohm betreffe, könne sie „den Knüppel nehmen“, sagte sie im Wahlkampf, parteiintern bezeichnete sie den Eintritt in eine große Koalition mit der CDU als den Weg „zu den Arschlöchern“.
Regine Hildebrandt will mit der PDS, Manfred Stolpe mit der CDU – und wenn Stolpe sich durchsetzt, ist er seine Sozialministerin, seit 1990 im Amt, los. Das wäre das Ende einer wunderbaren Freundschaft, die die Wähler jahrelang mit einer satten Mehrheit für die SPD honorierten. Wie keine andere gilt Hildebrandt neben Stolpe als Stimme des Ostens. Ihr Image oszilliert munter zwischen „Mutter Courage“ und „Mutter Blamage“ (Spiegel), gerade damit hält sie engen Kontakt zum Volk.
Jetzt droht sie mit Rücktritt, und ihre Parteifreunde sind entsetzt. „Wir stehen vor einer ganz schwierigen Situation“, bekannte der brandenburgischen Landesvorsitzende Steffen Reiche am Samstag. „Werben“ wolle man darum, dass Hildebrandt ihr Amt auch in einer Koalition mit der CDU beibehält. Gleichzeitig sei man „tieftraurig“ über ihr Verhalten und habe die Ministerin gebeten „Solidarität zu zeigen“. Doch das „erfolgreichste Ostprodukt der SPD“ (Spiegel) will nicht um jeden Preis solidarisch sein, sondern weiterkämpfen, für die Grundwerte sozialdemokratischer Sozialpolitik, die sie durch die CDU gefährdet sieht. Bis zum Sonderparteitag der SPD am 4. Oktober will die „politische Wundertüte“ (Spiegel) deshalb weiter für ein Bündnis mit der PDS streiten, denn, so ließ sie ihre Genossen noch einmal wissen, „mein Pfund in der Politik ist die Glaubwürdigkeit“.
Vor den Bundestagswahlen im vergangenen Jahr hatte Hildebrandt schon einmal mit Rücktritt für den Fall einer SPD/FDP-Koalition gedroht. Diesmal ist es ernster.
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