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Keine Farben, keine Exzentrik

Dass Werder Bremen morgen im Uefa-Cup beim norwegischen Klub Bodö Glimt antreten darf, hat der Klub auch seinem nüchternen Torhüter Frank Rost zu verdanken  ■   Von Martin Sonnleitner

Bremen (taz) – Nicht etwa den Meriten aus einer eher missratenen Bundesligasaison ist es zuzuschreiben, dass Werder Bremen dieses Jahr im internationalen Geschäft mit verdienen darf, sondern der von einem Happy End gekrönten Finalteilnahme im DFB-Pokal. Eine Schlüsselrolle kam dabei Torwart Frank Rost zu, dem Nachfolger des gen Schalke abgewanderten Oliver Reck.

Rost war schon vor dem finalen Spiel gegen Bayern München im Berliner Olympiastadion aufgefallen. Zum einen durch eine Ausgeglichenheit, wie sie vorher bei ihm nicht immer da war, zum anderen durch seinen Dress: keine schrillen Farben, keine Exzentrik; einfach und lässig. Bis auf das Werbelogo könnte auch der Torwart vom VfB Leipzig so rumgerannt sein, damals, 1903, als Schlussmann des 1. Deutschen Fußballmeisters – dunkles Jersey und Schlabberhosen.

Seit Frank Rost im Juni 1999 den entscheidenden Elfer im Pokalfinale gegen keinen Geringeren als Lothar Matthäus parierte, ist der Bremer endgültig registriert im kollektiven Fußballgedächtnis des Landes. Geboren in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, wuchs Frank Rost in Leipzig auf. Fußball habe er „schon immer gespielt“. Mit 15 saß Frank Rost in der DDR-Oberliga auf der Bank bei Lok Leipzig (seit 1991 wieder VfB). Zwischenzeitlich war er in der Kinder- und Jugendsportschule, der Kaderschmiede des Vereins, gelandet und hatte mit den Jugendmannschaften von Lok diverse Spartakiadetitel gewonnen.

Seine Karriere sei, so Rost, „durch die Eltern geprägt“ gewesen. Vater und Mutter gewannen in den Handballnationalteams der DDR „alles, was es zu gewinnen gab“. Auf die sportliche Förderung in der DDR angesprochen, antwortet Werders Keeper mit Kritik an den Tendenzen in der Bundesrepublik. Erst mache man „alles kabudd und haut droff“, dann gebe man vor, „das Rad neu zu erfinden“. An dieser Stelle sächselt der stets Misstrauen und Mürrischkeit ausstrahlende Keeper ganz besonders.

1992 war das Jahr von Frank Rosts ganz persönlicher Wende. Als 19-Jähriger vernahm er den Ruf des Westens – Werder Bremen lockte mit einem Profivertrag. Erst mal musste der Jungspund ins dritte Glied, sich hinter Oliver Reck und Hans Gundelach einordnen. 1994, als Otto Rehhagel ging, durfte er unter Aad de Mos dann öfter für den verletzten Reck ins Tor des Bundesligisten. Fortan wollte „unser Langer mit den großen Händen“ (Andreas Herzog) nicht mehr hinten anstehen und ging in die Offensive. Obwohl er sich selbst als „pflegeleicht“ bezeichnet, fiel Rost, wie auch unter der Ägide von Dixie Dörner, durch seine Ellenbogenmentalität auf. Was im Geschäft konkurrierender Torhüter – siehe Lehmann/Kahn – nichts Ungewöhnliches ist.

Doch auch unter Wolfgang Sidka und Felix Magath gab es einige Rückschläge für den 26-Jährigen. Verletzungen und unkonstante Leistungen ließen Stefan Brasas kurzfristig nach vorne rücken. Für Rost funktioniert der Kampf um den Stammplatz nach der einfachen Maxime: „Entweder man bleibt ruhig und zehn Jahre Nummer zwei, oder man riskiert und macht auf sich aufmerksam.“ Dass er für seine Stänkereien vereinsintern abgekanzelt wurde, hinderte ihn nicht, selbst Oliver Kahn anzumobben. Es gebe „einige Torhüter in der Liga, die sind genauso gut“, sagt er und zählt sich auch dazu.

Von seinen Bremer Trainern will der Sachse keinen hervorheben. Den jetzigen, Thomas Schaaf, zeichne aus, dass er „der Mannschaft sehr nahe“ stünde. Werder, eine große Familie, sei indes „Käse“. Man werde von den Medien zwar „relativ in Ruhe gelassen“, ansonsten sei auch hier Fußball in erster Linie Show und Geschäft. „Frank braucht Sicherheit durch konstante Erfolgserlebnisse“, schätzt Schaaf seinen Keeper ein. Es waren die Nerven, die Rost früher öfter am Ball vorbeisegeln ließen. Hat er diese unter Kontrolle, fürchten ihn gar die Bayern – und verschießen Elfmeter.

Frank Rost kennt die Regeln des Geschäfts. Er weiß, dass er selbst nach glänzenden Spielen wie dem Pokalfinale oder dem 5:0 gegen Kaiserslautern am letzten Sonntag immer wieder bei Null anfangen muss. Leise bemerkt er dann doch, dass ein Traum in Erfüllung gegangen sei, und weiß, dass sie in Bremen über den Pokaltag „noch in 20 Jahren“ reden werden. Ein Stammplatz und ein, zwei Spielzeiten auf hohem Niveau konstante Leistung bringen, so sehen sie aus, die Ziele von Frank Rost, der angibt, keine Idole zu haben. Ein wenig gelangweilt klingt auch die Feststellung, sogar schon bei der A 2-Nationalelf dabei gewesen zu sein. Es scheint, als wenn es nicht die Jahre auf der Bank waren, die ihn ernüchtert haben.

Nein, zum FC Bayern würde Frank Rost bestimmt nicht passen. Und so standen sich am 12. Juni 1999 wirklich zwei Extreme gegenüber. Der eine, der aktuelle Fußballer des Jahres, Lothar Matthäus, hat seine Karriere hinter sich und wandert bald gen Westen. Der andere, Frank Rost, muss noch beweisen, dass er ein richtig Guter ist. Eines bleibt er bestimmt: ein Junge aus dem Osten.

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