Goethe, Tarife, etc.
: Gelder-Grammatik

■ Werden die deutschen Goethe-Institute zu Sprachdienstleistern umgebaut?

In der Zentrale des Goethe-Instituts in München gibt es dieser Tage einiges zu entscheiden. Am Freitag erst musste nach Gesprächen mit Schröder und Naumann die Schließung von elf Auslandseinrichtungen bekannt gegeben werden. Und nun saßen die Verwaltungsspitzen den ganzen Montag mit FunktionärInnen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zusammen, um über den „Tarif“ für die Sprachlehrer des Inlands zu ringen. Richtig zufrieden war am Ende eigentlich keiner, bekannte Ulrich Braeß, Verhandlungsführer des Goethe-Instituts, als man sich am Abend getrennt hatte.

Zumindest die Stagnation, die die ersten Gespräche im Juli ereilte, ist laut Braeß „konstruktiv und engagiert“ überwunden. Damals wollte der Vorstand nicht einfach das von der ÖTV im Februar für die öffentlich Bediensteten erzielte Ergebnis von 3,1 Prozent Einkommensverbesserung für Goethe-Mitarbeiter übernehmen. Stattdessen wollte der Vorstand die Übernahme an längst überfällige Reformen knüpfen. Die GEW-Vorsitzende Eva-Maria Stange sah in diesen Bedingungen einen „Gruselkatalog“, mit dem man Einkommensverbesserungen durch Mehrarbeit zu finanzieren versuche. Dabei geht es unter anderem um die Forderung nach zwölf Stunden sogenannter „Zusammenhangstätigkeiten“ für fest angestellte Sprachlehrer im Institut, die sich neben dem Unterricht auch der Organisation und Betreuung von Studenten widmen sollten; dazu eine Reduzierung der Kurspausen von neun auf fünf Tage sowie den Samstag als normalen Unterrichtstag.

Einige Änderungen schließlich sollten auch die befristet beschäftigten SprachlehrerInnen betreffen, deren Situation beide Seiten verbessern wollen. Freilich über das Wie gab es unterschiedliche Auffassungen. Während der Vorstand in der ersten Verhandlungsrunde nicht über die Idee von Zeitverträgen und eine bessere soziale Absicherung hinauskam, denkt man bei der GEW über unbefristete Beschäftigungsverhältnisse nach, deren Realisation gegenwärtig illusorisch sein dürfte. Unverzichtbar ist die Gruppe der befristet beschäftigten Sprachlehrer allemal. Das wissen beide Seiten. Stellen sie doch das flexible pädagogische Rückgrat des Sprachkursanbieters Goethe-Institut im Inland dar, das vor allem Nachfragespitzen von Deutschkursen abdeckt. Will man diese am Institut behalten, bemerkte Kai Hug, selbst befristet beschäftigter Sprachlehrer am Goethe-Institut in Freiburg, vor den Montagsgesprächen, muss man sich intensiv um eine Lösung bemühen. Denn, fügt er hinzu, „vom Goethe allein können die freien Mitarbeiter nicht leben“.

Nach den besten Lösungen wollen nun beide Seiten in einer eigens dafür einzurichtenden, paritätischen Arbeitsgruppe bis Ende November suchen, bevor die Verhandlungen gegen Mitte Dezember weitergehen. Das ist eines der zentralen Ergebnisse vom Montag. So will man gemeinsam Vorschläge zur Flexibilisierung der Tätigkeiten der fest angestellten Sprachlehrer erarbeiten, sich gemeinsam überlegen, wie man Beschäftigungsverhältnisse und -chancen verbessert sowie den Aufenthalt der Studierenden noch stärker unterstützen.

Das zweite, vor allem für die Gewerkschaft und zur Einrichtung der Arbeitsgruppe wichtige Ergebnis ist die faktische Übernahme der 3,1 Prozent Einkommensverbesserung für die Goethe-Mitarbeiter, deren Bestätigung und Annahme durch das Präsidium noch aussteht. Bei dem Zank um die Tarifvereinbarung geht es nicht nur um Geld. Vielmehr steht die Idee eines modernen Sprachenbetriebs dahinter, der, nach den Vorstellungen des „Inlandchefs“ Ulrich Braeß, erhebliche Anpassungsleistungen an eine selbstbewusste und vor allem selbst zahlende Klientel zu erbringen hat, um auf Dauer zu bestehen. Diese Veränderungen müssen über die bloße Grammatik des Sprachunterrichts hinausgehen, so seine Devise, um am Ende so etwas wie einen modernen und schlanken Sprachen-Dienstleister zu bekommen.

Den Umbau hat der Wirtschaftsfachmann Braeß als ausgemachter Kenner des Sprachenmarktes bereits begonnen: Drei Institute in Deutschland (Staufen, Boppard, Iserlohn) werden zum Jahresende geschlossen. Ob ihm die Umstrukturierung des Goethe-Instituts gelingt, wird zuallererst von der Bereitschaft der Goethe-Angestellten zur Kooperation und ihrer Fähigkeit zum Dialog abhängen. „Wer diese Begriffe ständig im Munde führt, muss sie auch anwenden“, warnt Kai Hug mit Blick auf die gesamte Verwaltung, „sonst bekommt er Probleme.“

Einen kleinen Vorgeschmack konnte die Verhandlungsspitze des Goethe-Instituts bereits bei den Tarifgesprächen am Montag erhalten. Der Widerstand wächst. Gemeinsam mit der Gewerkschaft macht sich die Unzufriedenheit an den Instituten möglicherweise in Aktionen irgendwann einmal Luft.

Wie groß die Belastungen für den Inlandsbereich sein werden, die sich durch die Schließungen von vorläufig elf Auslandsinstituten ergeben, darüber lässt sich vorerst wohl nur rätseln. Sicher ist nur, dass die pädagogischen HeimkehrerInnen in den Inlandsinstituten und in der Verwaltung untergebracht werden müssen. Ob die Spareffekte dann noch so groß sein werden, wie am Schreibtisch errechnet, ist zweifelhaft.

Reiner Fritz