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 ■ Die Staatsoper wird noch immer provisorisch geleitet, aber: „kein Handlungsdruck“  n Von Dagmar Penzlin

Die neue Spielzeit hat begonnen, und der Intendantensessel in der Hamburgischen Staatsoper ist nach wie vor verwaist. Die Kulturbehörde verhandelt zwar bereits mit mehreren Kandidaten für diesen Posten, aber „unmittelbaren Handlungsdruck“ gibt es laut Kulturbehörden-Sprecher Ingo Mix nicht. Und so lässt er auch offen, ob bis Ende diesen Jahres ein Nachfolger für Ex-Staatsopernintendant Albin Hänseroth gefunden sein könnte.

Dieser verließ unter nicht wenig skandalträchtigen Umständen zum Ende der letzten Saison das Haus an der Theaterstraße. Als Interimslösung versuchen jetzt Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher und Staatsoperndirektor Detlef Meierjohann gemeinsam, die Intendantenlücke provisorisch zu schließen.

Die künstlerische Leitung liegt nun insgesamt in den Händen von Metzmacher, und diese Aufgabe bringt nicht wenig Schreibtischarbeit mit sich. Wenn zum Beispiel ein Sänger kurzfristig krank wird, macht sich der GMD gemeinsam mit dem Künstlerischen Betriebsbüro auf die Suche nach einem Ersatz. Aufgrund dieser und anderer zusätzlicher Belastungen hat Metzmacher bereits das Dirigat der Salome-Wiederaufnahme im Oktober aufgegeben.

Meierjohann fällt derweil die gesamte Geschäftsführung zu. Neben Vertragsverhandlungen mit Künstlern kümmert er sich zusätzlich auch um das Philharmonische Staatsorchester; unter anderem plant der Staatsoperndirektor die Probezeit.

Doch diese Umverteilung der Aufgaben bedeutet nicht nur eine Mehrbelastung für Metzmacher und Meierjohann. Was Hänseroth in einer 60-Stunden-Woche erledigte, muss jetzt von verschiedenen Stellen aufgefangen werden. Da-runter viel bürokratischer Kleinkram, Urlaubsbescheinigungen wollen rechtzeitig ausgestellt sein und Ähnliches.

Dass das Fehlen eines Intendanten auch nicht ohne Wirkung auf das Publikum bleibt, zeigt die Anekdote, die Opern-Sprecherin Christiane Rubien erzählen kann: Bekanntermaßen befinden sich die Dienstplätze des Intendanten in der ersten Parkettreihe rechts, Platz 1 und 2. Zwei Zuschauer setzten sich jüngst dorthin, und als man sie aufforderte, die Sitze zu räumen, entgegneten sie: „Warum? Der Intendant ist doch weg!“

Dabei hätte Hänseroth jetzt noch in Hamburg weilen können: Nachdem die Bleibeverhandlungen mit der Kulturbehörde Mitte Mai gescheitert waren und er sich endgültig für den Intendantenposten der Philharmonie Köln entschieden hatte, bot der promovierte Volkswirt an, noch bis Ende diesen Jahres an der Staatsoper zu bleiben. Danach wollte er als künstlerischer Berater zu Verfügung stehen. Der Aufsichtsrat der Staatsoper lehnte dieses Angebot allerdings ab und beschloss, Hänseroth zum 31. Juli, also zum Ende der letzten Spielzeit, aus seinem Vertrag zu entlassen.

Als Hauptgrund für seinen vorzeitigen Weggang aus Hamburg nannte Hänseroth finanzielle Versprechungen, die die Kulturbehörde nicht erfüllt hätte. Ohne das zusätzliche Geld sah er sich nicht in der Lage, langfristig das hohe künstlerische Niveau der Staatsoper zu halten. Die Kulturbehörde glaubt jedoch, dass diese Argumentation nur vorgeschoben sei: „Alles Rückzuggefechte“, so Sprecher Mix. „Versprechungen hat es von unserer Seite oft gegeben. Hänseroth wollte nach Köln, zurück in seine Heimat, um sich auf die Rente einzustimmen.“ Die Kölner Philharmonie sei schließlich leichter zu leiten, als „unser großes Schiff Staatsoper“. Seine Forderungen wären unter anderem aus haushaltsrechtlichen Gründen unerfüllbar gewesen.

Die Premieren-Planung steht jedenfalls bis Juli 2002, eben bis zum ursprünglich vorgesehenen Ende von Hänseroths Amtszeit. Sein Nachfolger findet mithin ein bestelltes Feld vor; viel Spielraum für eigene Ideen bleibt da vorerst nicht. Doch: „Wer jetzt kommt, kommt nicht, um im Sommer 2002 zu gehen“, verrät Opern-Sprecherin Rubien.

Als Nachfolge-Kandidaten waren bisher vor allem zwei Namen im Gespräch: Christoph Albrecht, vor Jahren bereits Betriebsdirektor des Hamburger Ballets, jetzt Intendant der Semperoper in Dresden, und Pamela Rosenberg, seit der Spielzeit 1991/92 stellvertretende Intendantin und künstlerische Betriebsdirektorin an der Stuttgarter Staatsoper. Die Kulturbehörde schweigt sich zum jetzigen Zeitpunkt freilich darüber aus, mit wem sie konkret verhandelt. Mix: „Um Namen zu nennen, ist es einfach zu früh.“