Namibias Armee wütet weiter gegen Sezessionisten

■ Das oft brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte im unruhigen Caprivi-Streifen empört Menschenrechtsgruppen. Greift der Angola-Krieg durch die Hintertür auf Namibia über?

Johannesburg (taz) – Sechs Wochen nach einem bewaffneten Aufstand von Sezessionisten im so genannten Caprivi-Streifen im Nordosten Namibias ist die Lage dort noch immer gespannt. Zwar hat Präsident Sam Nujoma mittlerweile den über die Provinz verhängten Ausnahmezustand aufgehoben, Militär und Polizei bleiben jedoch verstärkt. Ihr Vorgehen vergleicht die „Nationale Gesellschaft für Menschenrechte“ mit „Gestapo-Methoden“, während andere Kritiker sich an das Vorgehen der südafrikanischen Armee in den 80er-Jahren erinnert fühlen.

In der Provinzhauptstadt Katima Mulilo hatte eine Gruppe von Sezessionisten der so genannten „Caprivi Befreiungsarmee“ (CLA) Anfang August versucht, den Flughafen und das örtliche Gebäude des staatlichen Rundfunks einzunehmen. Bei Auseinandersetzungen mit Polizei und Militär wurden insgesamt 14 Menschen erschossen, darunter auch fünf Sezessionisten. Die Swapo-Regierung im mehr als 1.000 Kilometer entfernten Windhuk reagierte mit Härte auf den Aufstand. Polizei, Militär und die bereits im vergangenen Jahr gebildete paramilitärische Sondereinheit Special Field Force begannen mit Säuberungsaktionen in der Bevölkerung und gingen dabei nach Angaben von Betroffenen und Menschenrechtsorganisationen oft brutal vor. Vergangene Woche wurde nach Regierungsangaben der zweithöchste CLA-Kommandant Alex Chainda erschossen.

Hunderte von Menschen sind festgenommen worden, gegen bislang 97 wurden Verfahren wegen „Hochverrats“ eingeleitet, für den lebenslange Haft verhängt werden kann. Bisher wurden alle Gerichtsvehandlungen nach der Eröffnung auf den 24. Januar 2000 vertagt. Mehrere Menschenrechtsorganisationen und die neu gegründete Oppositionspartei „Kongress der Demokraten“ (COD) unter dem ehemaligen Swapo-Mitglied Ben Ulenga warfen der Regierung vor, Gefangene schwer misshandelt zu haben. Einem Verdächtigen soll das Rückgrat gebrochen, ein geistig Behinderter sogar erschossen worden sein. Zu den verletzten Angeklagten zählt auch der ehemalige Parlamentsabgeordnete der oppositionellen Demokratischen Turnhallen-Allianz (DTA), George Mwilima, dem bei seiner Verhaftung der Kiefer gebrochen wurde und der noch immer im Krankenhaus liegt.

Unterdessen hat auch die Regierung zugegeben, unverhältnismäßige Mittel angewandt zu haben, die ihr vorgeworfenen schweren Menschenrechtsverletzungen bestreitet sie jedoch und politischen Dialog lehnt sie ab. Zugleich wirft sie Mwilima vor, direkte Verbindungen zu dem im dänischen Asyl lebenden Mishake Muyongo zu haben, der von dort aus den Aufstand organisiert haben soll. Muyongo, der frühere Vorsitzende der DTA in der Caprivi-Region, war im vergangenen Jahr mit mehreren hundert weiteren Personen ins benachbarte Botswana geflohen, nachdem es wegen angeblicher Putschpläne auch damals schon zu Übergriffen der Sicherheitskräfte gekommen war. Muyongo wurde später offiziell als Flüchtling anerkannt und lebt seither in Dänemark. In einem Fernsehinterview soll er eine direkte Verbindung zu dem Aufstand zugegeben haben. Die dänische Polizei hat allerdings erklärt, sie habe keine illegalen Aktivitäten Muyongos feststellen können.

Unterstützung erhalten die Separatisten aus dem benachbarten Sambia, dessen Bewohner im unmittelbaren Grenzgebiet dem gleichen Stamm angehören wie die Namibier in Caprivi, und möglicherweise auch von den Unita-Rebellen im ebenfalls benachbarten Angola. Unter den 97 Verhafteten sind neben einigen Sambiern auch mindestes sieben Angolaner, die nach Aussagen der namibischen Regierung zugegeben hatten, Unita-Mitglieder zu sein, und Mitte August nach Angola abgeschoben worden waren. Generalstabschef Martin Shalli sagte, es werde nun auch wegen der möglichen Unterstützung der Rebellen seitens Unita ermittelt.

Wirkliche Beweise für diese Unterstützung gibt es bislang nicht, das Szenario ist aber durchaus wahrscheinlich. In Angola herrscht Krieg, und die Regierungen Namibias und Angolas haben gemeinsam militärisch auf Seiten von Laurent Kabila in den Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo eingegriffen. Nach Einschätzung von Hannelie de Beer am südafrikanischen Institut für Security Studies in Pretoria würde Angolas Präsident Dos Santos gern die Infrastruktur im Norden Namibias nutzen, um eine weitere Front gegen die angolanischen Unita-Rebellen zu eröffnen. Kordula Doerfler