Frieden auf Osttimor erzwingen

■ Die UN-Soldaten dürfen mit Gewalt nicht nur gegen die Milizen, sondern auch gegen die indonesische Armee vorgehen. Unklar bleibt aber, wie die Flüchtlinge zurückkehren können

Genf (taz) – Zwei Wochen nach Beginn der grausamen Vertreibung werden auf Osttimor Ende der Woche erste australische Einheiten einer bis zu 8.000 Soldaten starken multinationalen UN-Truppe zur „Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit“ stationiert. Das Mandat für eine solche Truppe auf Basis von Kapitel 7 der UNO-Charta erteilte der Sicherheitsrat in New York nach vorheriger Zustimmung Indonesiens am frühen Mittwochmorgen einstimmig mit seiner Resolution 1264. Australien kündigte nach dem Beschluss an, innerhalb von 72 Stunden könnten die ersten seiner 4.500 Soldaten, die im Hafen von Darwin für eine multinationale Truppe bereitstehen, in Osttimor an Land gehen.

Wichtige Detailfragen wie Kommando, Umfang, Zusammensetzung und genaue Befugnisse der multinationalen Truppe sowie ihrer „Koordination“ mit den indonesischen Streitkräfen in Osttimor wurden aus der Resolution ausgeklammert. Sie sollen in Verhandlungen unter Leitung von UNO-Generalsekretär Kofi Annan zwischen Indonesien und den an der multinationalen Truppe beteiligten Ländern geklärt werden.

„Die gegenwärtige Situation in Osttimor ist eine Bedrohung des Friedens und der Sicherheit.“ Mit diesen Worten, die auf Kapitel 7, Artikel 39 der UNO-Charta beruhen, legt der Sicherheitsrat die völkerrechtliche Grundlage für die dann folgende „Autorisierung der Aufstellung einer multinationalen Truppe unter einer einheitlichen Kommandostruktur entsprechend der am 12. September 1999 von der Regierung Indonesiens an den Generalsekretär geäußerten Bitte“. Dementsprechend erhält die Truppe dann auch die Aufgaben, „Frieden und Sicherheit in Osttimor wiederherzustellen; im Rahmen ihrer Möglichkeiten die UNO-Mission Unamet bei der Ausführung ihrer Aufgaben zu schützen und zu unterstützen sowie humanitäre Hilfsaktionen zu ermöglichen“. Die an der multinationalen Truppe beteiligten Staaten werden vom Sicherheitsrat „autorisiert, alle erforderlichen Schritte zur Erfülung des Mandats zu ergreifen“.

Mit dieser Formulierung ist zumindest nach Interpretation durch westliche und australische UNO-Diplomaten die Grundlage gegeben, dass die Soldaten der Truppe ihre Waffen nicht nur zur Selbstverteidigung oder zum Schutz Dritter (z. B. von Flüchtlingen) einsetzen dürfen. Möglich ist vielmehr aktiv gegen Milizen oder notfalls gar gegen reguläre indonesische Armeeeinheiten vorzugehen, falls diese die multinationale Truppe behindern. Dieses Risiko gilt als sehr hoch, nachdem Milizenführer in den letzten Tagen bereits „bewaffneten Widerstand“ angedroht haben. Nach den Erfahrungen der letzten zwei Wochen muss außerdem damit gerechnet werden, dass auch reguläre indonesische Armeeeinheiten der multinationalen Truppe erhebliche Probleme bereiten könnten – selbst wenn sie anders lautende Befehle von Streitkräftechef Wiranto erhalten.

Der Sicherheitsrat äußert in seiner Resolution die äußerst vage „Erwartung einer engen Koordination zwischen der multinationale Truppe und der Regierung Indonesiens“.So bleibt unklar, wer bei strittigen Fragen zwischen multinationaler Truppe und indonesischen Armeeeinheiten das letzte Wort hat. Als zentraler Konflikt könnte sich schon bald die Frage erweisen, wie die mindestens 140.000 nach Westtimor vertriebenen Osttimoresen dort vor den anhaltenden Gewalttaten von Milizien und Militärs geschützt werden können. Unklar bleibt auch, wann und unter welchen Umständen sie in ihre Heimat zurückkehren. Genau dies jedoch wäre ein wesentlicher Bestandteil der „Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit“. Doch die damit beauftragte multinationale Truppe hat kein Mandat für Westtimor.

Das Oberkommando über die „multinationale Truppe“ wird nach Einschätzung aller an den Verhandlungen Beteiligten von Australien ausgeübt werden, das mit bis zu 4.500 Soldaten über dieHälfte der Truppe stellt. Die Resolutionsformulierung vom „einheitlichen Kommando“ wurde im Interesse Indonesiens aufgenommen, das sich zunächst gegen die Teilnahme australischer Truppen ausgesprochen hatte. Zu regeln bleibt noch, wie die anderen an der Truppe beteiligten Staaten (voraussichtlich Malaysia, Philippinen, Neuseeland, Südkorea, Kanada, Großbritannien sowie mit Logistik und Aufklärung die USA) in die Kommandostruktur eingebunden werden. Andreas Zumach

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