Freispruch für Internet-Piraten

■ Musikbranche verliert ersten europäischen Musterprozess gegen MP 3-Musik im Internet. Gericht sieht Urheberrecht nicht verletzt

Stockholm (taz) – Der erste Versuch der europäischen Musikindustrie, gerichtlich die illegale Verbreitung von Musik im Internet zu stoppen, hat mit einem Freispruch für den jugendlichen Angeklagten geendet. Ein Gericht in der schwedischen Stadt Skövde sprach den Inhaber einer Homepage frei, der hunderte von Links zu CD-Kopien im MP 3-Format ausgelegt hatte. Das MP 3-Format ist begehrt, weil es die starke Komprimierung von Sounddateien ermöglicht, die sonst sehr viel Speicherplatz benötigen. Das Gericht begründete den Freispruch damit, dass solche Links unter dem Gesichtspunkt der Urheberrechtsverletzung nicht strafbar sind, da der Inhaber der Homepage die Musik nicht auf seinem Server liegen hatte.

Angestrengt wurde der Musterprozess von der Musikbranchenvereinigung IFPI. Der 17-jährige Angeklagte ist einer von tausenden Homepage-InhaberInnen mit Hinweisen auf MP 3-Musik, die die IFPI seit Frühjahr dieses Jahres in ganz Europa aufgespürt hatte. IFPI erhob Anzeige, nachdem der Jugendliche zwei Abmahnungen ignoriert hatte. Da es in den USA bereits Verurteilungen wegen „elektronischen Diebstahls“ gibt, erhoffte sich IFPI vom ersten europäischen Prozess ein Urteil, das die Verbreitung von Piratkopien erschwert.

Magnus Martensson, Vertreter von 53 Firmen der Musikbranche, hält das Urteil für falsch: „Das Gericht hat weder die Internettechnik richtig verstanden noch das Urheberrechtsgesetz.“ Unklar ist, ob die IFPI gegen das Urteil Revision einlegt oder sich einen anderen Fall als Musterverfahren aussucht. Europaweit laufen noch mindestens zehn Strafanzeigen. Per Sundin, Jurist bei Sony Music: „Es ist wirtschaftlich unheimlich wichtig für uns, diese Seiten zu stoppen, wir werden also juristisch weiter gegen sie vorgehen.“

Der Freispruch erspart dem Gymnasiasten eine zivilrechtliche Schadenersatzklage in Millionenhöhe. Da er die Homepage lediglich als Hobby betrieb, hat er keinen Pfennig damit verdient. Wenn der 17-Jährige seine beschlagnahmte Festplatte zurückerhält, will er statt der MP 3-Seite eine – völlig legale –Fußballseite ins Internet stellen. Sein Berufswunsch steht aber endültig fest: Webdesigner. Reinhard Wolff