Elftes Gebot: Du sollst nicht tricksen

■  Mit seinem Nein zum Schwangerschaftskompromiss der deutschen Bischöfe spaltet der Papst die Katholiken. Laienorganisationen wollen nun ihr eigenes Beratungssystem aufbauen

Berlin (taz) – Ein Riss geht durch die katholische Kirche in Deutschland: Der Papst akzeptiert den Kompromiss der Bischöfe zur Schwangerenkonfliktberatung nicht. Durch diese Lösung würden die Beratungsscheine „weiterhin als Zugang zur Abtreibung dienen“, hat nun auch der Vatikan bemerkt. Die Kompromisslösung, so heißt es in einer Presseerklärung aus dem Vatikan, sei „unzureichend“. Damit haben sich die konservativen Kräfte um Kardinal Ratzinger, den Vorsitzenden der Glaubenskongregation, im Vatikan durchgesetzt. Ratzinger ist seit langem der Ansicht, dass die Kirche sich nicht durch die Ausstellung von Beratungsscheinen an Abtreibungen beteiligen dürfe. Im Juni hatten die deutschen Bischöfe einen Kompromiss vereinbart: Auf dem Schein solle vermerkt sein, er könne nicht für Abtreibungen verwendet werden. Der Staat signalisierte, dass dieser Schein dennoch für die Abtreibung anerkannt würde. Diesen „Kompromiss durch Paradox“ hat der Vatikan nun abgelehnt.

In Deutschland hatten konservative Erzbischöfe wie Johannes Dyba und Joachim Meisner den Kompromiss in Frage gestellt. Nun rügte der Papst: Der Streit habe der Einheit der deutschen Kirche geschadet.

Die ist aber so oder so dahin, denn mit der Weisung zum Ausstieg, die den Bischöfen zu ihrer Vollversammlung, die am Montag in Fulda beginnt, zugestellt werden soll, geht der Sturm innerhalb der deutschen Kirche erst richtig los: Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) reagierte resolut: Die Organisation der katholischen Laien will ein Beratungssystem aufbauen, in dem weiterhin katholische Konfliktberatungen mit der staatlichen Bestätigung stattfinden können. Da die Kirche als Trägerin ausfällt, richtet das ZdK ein Spendenkonto ein, um freie Träger finanzieren zu können. Das ZdK forderte die Bischöfe auf, ihrem Gewissen zu folgen: Bischöfe, die die Beratung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten, sollten aussteigen. Wer die Frauen nicht im Stich lassen wolle, müsse im System bleiben.

Die Generalsekretärin des Sozialdienstes katholischer Frauen, Annelie Windheuser, erklärte gegenüber der taz, sie bleibe bei ihrem Plädoyer an die Bischöfe: „Sie sollen zu dem einmal gefassten Beschluss stehen!“ Da das aber eher unter die Kategorie „fromme Wünsche“ fallen dürfte, fasst auch sie zusammen: „Wir müssen konstatieren, dass wir diesen Arbeitsbereich nicht mehr als katholischer Verband wahrnehmen können.“ Auch der Sozialdienst katholischer Frauen werde sich an einem System außerhalb der katholischen Amtskirche beteiligen. Politikerinnen wie Bundesfrauenministerin Christine Bergmann (SPD) hatten die Bischöfe während des Konfliktes immer wieder aufgefordert, sich nicht aus der gesellschaftlichen Verantwortung zurückzuziehen. Ab Montag müssen die Bischöfe nun wählen: zwischen Rom und dem Kirchenvolk. Heide Oestreich

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