Vorurteile ausräumen

Mit Lehm kann das Raumklima positiv beeinflusst werden. Auf der Lehmbaumesse des Kirchbauhofs wird der ökologische Baustoff vorgestellt   ■  Von Christoph Rasch

Ein „blauer Engel“ haftet ihm zwar nicht an, doch über seine natürlichen Vorzüge als alternatives Baumaterial sind sich die Experten einig: Lehm ist im Kommen. Der Baustoff ist nicht nur ökologisch zu gewinnen, er macht, etwa im Innenbereich eines Hauses, Luftfeuchte und Raumklima angenehmer. Und: Nach einer Studie der Gesamthochschule Kassel wohnt man mit Lehmwänden einfach gesünder: Erkrankungen der Atemwege seien seltener, der Lehm wirke als natürlicher „Entgifter“.

Weitab von derartigen Vorzügen findet sich der Ursprung heutiger Lehmbau-Aktivitäten im Restaurierungsgeschäft. Und bis heute liegt etwa in der Wiederherstellung von historischem Fachwerk mit Lehmfüllungen bundesweit das größte Geschäftsfeld der Branche. Damit dem modernen Bauen mit Lehm jedoch endlich auch in der Region Berlin-Brandenburg neue Märkte eröffnet werden, fehlt, wie Wolfram Vietzen von der gemeinnützigen Baugesellschaft „Kirchbauhof“ sagt, vor allem eins: die Kommunikation mit dem potentiellen Kunden, der ökologisch interessierten Zielgruppe.

Mitte September lädt daher die vom Kirchbauhof organisierte Lehmbaumesse zum dritten Mal Bauherren und Heimwerker ein, den alternativen Baustoff kennen zu lernen. Rund 30 Aussteller sind dabei, etwa 2.500 Besucher werden erwartet. Ein dreitägiges Forum mit Expertenvorträgen begleitet die Messe.

Vietzen sieht die Zukunft des modernen Lehmbaus wortwörtlich in der Nische: „Im Innenausbau, in der nachträglichen Wärmedämmung und in der Hohlraum-Ausfüllung kann Lehm hervorragend eingesetzt werden.“ Von farbigen Lehmputzen über vorgefertigte Lehmwände bis zu integrierten Heizsystemen reicht das Spektrum, das auf der Messe, der einzigen ihrer Art in der Region, gezeigt wird.

Was bislang jedoch fehle, seien Ambitionen, Lehm auch nach ästhetischen Aspekten zu benutzen, so als letzte Verputzung von Innenwänden. In den Niederlanden sei man da bereits weiter, wo Lehmwände auch im Rahmen öffentlicher Bauprojekte Verwendung fänden.

Insbesondere die Region Berlin-Brandenburg ist hierbei jedoch „Entwicklungsland“. Lehmbau setzt sich hier nur langsam durch“, so Vietzen. Selbst die Lehmbau-Messe, auf der sich lediglich zwei hier ansässige Firmen präsentieren, könne da nur punktuelle Impulse geben. Und obwohl die Veranstalter vom Kirchbauhof in diesem Jahr mit bis zu 2.000 Besuchern rechnen, „bekommt man zuweilen den Eindruck, Lehmbau sei eine Sache von Experten, die unter sich bleiben wollen“, erläutert Vietzen.

Denn was Berlin fehle, sei „ein vorzeigbares Paradebeispiel für den Lehmbau“, etwa im Rahmen eines öffentlich geförderten Öko-Bauprojektes. Wolfram Vietzen: „Damit könnte man am ehesten die Vorbehalte potentieller Kunden ausräumen.“ Denn noch immer ist Lehm als Baustoff mit vielen Vorurteilen behaftet, überwiegen für Bauherren die scheinbaren „Nachteile.“ Dem versucht der Kirchbauhof nunmehr entgegenzuwirken.

In der Friedrichshainer Palisadenstraße etwa wird unter seiner Federführung derzeit ein zukünftiges Kulturzentrum mit einer beheizbaren Lehmwand ausgestattet. Der erwünschte Effekt: angenehmere Heizluft und gleichmäßige Raumfeuchte. Das Vorhaben soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Und in Prenzlauer Berg beteiligen sich die Kreuzberger mit einer Lehm-Innenwand an einem wärmegedämmten Gebäude der Friedhofsverwaltung.

Schwierig gestalte sich auch ein direkter Preisvergleich. „Natürlich ist die Verarbeitung von Lehm teurer als die herkömmlicher Elemente“, sagt Wolfram Vietzen. Doch, betont er, ist Lehm stets nur ein Teil eines ökologischen Bauvorhabens. „Am Ende spart man – und gewinnt zusätzlich an Wohnqualität.“

Ein angenehmeres Raumklima schaffen etwa die häufig verwendeten halb gebrannten Lehmziegel, die so genannten „Grünlinge“. Auch „Fine Wood“ gehört zu deren Abnehmern: In der seit Jahrzehnten international auf den Bau von Blockhäusern spezialisierten Firma erfreut sich der Lehmziegel zunehmender Beliebtheit“, so Heiko Jobst von Fine Wood, das sich Anfang des Monats auf der „Öko-99“-Messe in Berlin präsentierte. Mit einem ambitionierten Vorhaben: Im brandenburgischen Klosterfelde entsteht derzeit eine ökologische Neubausiedlung von 34 Blockhäusern. Auch hier wird Lehm im Innenausbau verwendet.

Ein weiteres praktisches Beispiel bietet etwa die ostdeutsche Firma Karphosit. Die von ihr produzierten luftgetrockneten Leichtlehmplatten aus „fettem“ mecklenburgischem Lehm und Stroh halten nicht nur die Luftfeuchtigkeit im Innenraum konstant bei 50 Prozent. Aufgrund ihrer guten Schalldämmung von 52 Dezibel eignen sie sich etwa als Trennwände für Büros. Der Quadratmeterpreis der fünf Zentimeter dicken „Karphosit“-Lehmplatten liegt bei etwa 120 Mark, so Vertreiber Peter Albrecht, ist also 20 bis 30 Mark teurer als herkömmliche Materialien. Dabei wird es auch bleiben, denn „größere Mengen können vorerst nicht produziert werden“, heißt es. Noch fehlen die Abnehmer. „Die großen Baustoffhändler haben das Öko-Segment noch nicht entdeckt“, so Albrecht.

Die 3. Lehmbaumesse hat heute noch geöffnet: Kirche zum Heiligen Kreuz, Zossener Straße 65 (U-Bahn Hallesches Tor), Öffnungszeit 9 bis 18 Uhr.