Im Auge des Rechners

Nimmt „Floyd“ auch den richtigen Weg? Die Klimaforscher trauen sich mehr und mehr zu und berechnen immer genauer die Klimakatastrophe voraus  ■   Aus Hamburg Onno Gross

Der Hurrikan „Floyd“ folgte brav den modellierten Bahnen, auch wenn die Kurve zur Küste etwas Probleme macht

Zwischen den Klimaforschern tobt ein spannender Wettkampf: Wer sichert sich die schnellsten Superrechner und liegt damit im Wettlauf der treffsichersten Zukunftsszenarien an erster Stelle. Gerade erst konnte sich das Deutsche Klimarechenzentrum (DKRZ) in Hamburg über einen Zuschuss in Höhe von 120 Millionen Mark zum Aufbau neuer Abteilungen erfreuen. Da kommt schon die Hiobsbotschaft, dass die Japaner enorme Summen in ihre Wetterforschung investieren.

Dabei stellte sich Europa noch siegessicher dar auf der 4. Internationalen Konferenz über „Modellierung des globalen Klimawechsels und dessen Variabilität“, die 300 führende Klimaforscher nach Hamburg zog und gestern zu Ende ging. Ihr Fazit: Ihre Prognosen für die Entwicklung des Treibhauseffekts nähern sich immer mehr an. Auch die Vorhersagen von lokalen Klimaschwankungen wie El Niño oder der Bewegung von Wirbelstürmen werden immer besser.

Die Experten befassen sich mit der nummerischen Modellierung des globalen Klimasystems. Sie sollen damit für ein besseres Verständnis von natürlichen und menschlich verursachten Klimaveränderungen sorgen. Innerhalb der letzten hundert Jahre stieg die globale Temperatur auf der Erdoberfläche um 0,7 Grad Celsius. Anzeichen für einen Treibhauseffekt sind die zunehmenden extremen Klimaereignisse, wie auch die immer stärker werdenden tropischen Wirbelstürme.

Kernfrage für die Wissenschaftler bleibt wie viel von den 0,7 Grad auf den menschengemachten Treibhauseffekt zurückzuführen ist und wie viel auf natürliche Klimaschwankung. Maurice Blackmon vom Nationalen Atmosphärenzentrum in Boulder, Colorada, bringt zumindest die amerikanische Sichtweise auf den Punkt: „Ja, der Klimawandel ist real. Aber ist er wirklich so groß?“ Er geht von einer eher moderaten Erwärmung aus, kommt aber auch unter den gängigen Szenarien auf mindestens 1,5 Grad bis zum Jahr 2100. Die derzeit favorisierte Vorstellung der Forscher geht dabei von einer Temperaturzunahme um 2 Grad Celsius bis zum Ende des nächsten Jahrhunderts aus. Die Abstände schmelzen, der ursprüngliche große Widerstand aus den USA schwindet.

Inzwischen sind genug Daten über die aktuellen und vergangenen Konzentrationen der Treibhausgase und die weltweiten Temperaturen vorhanden, dass sie als Grundlage für die Klimamodelle taugen. Vermutlich um 2050 wird sich der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre verdoppelt haben, mit drastischen Konsequenzen. Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird also immer gewisser, wie es sich in einzelnen Regionen darstellt, ist jedoch noch immer kaum berechenbar.

Dabei hat die Klimamodellierung der Forscher in den letzten Jahren rasante Fortschritte gemacht. Die modernen gekoppelten Klimamodelle aus Ozean und Atmosphäre können mittlerweile erfolgreich für saisonale Wettervorhersagen eingesetzt werden. Auch die Zugrichtung der tropischen Wirbelstürme werden mit guter Trefferquote simuliert, wie David Bachiochi von der Florida State Universität in Tallahasee vorführte: Der gerade im Atlantik wütende Hurrikan „Floyd“ folgte brav den modellierten Bahnen, auch wenn „die Kurve zur Küste uns noch etwas Schwierigkeiten bereitete“, wie er feststellen musste.

Trotz der ersten guten Vorhersagen gleicht die Arbeit an globalen Klimamodellen noch eher einer Planspielerei. Es bedarf eben neben Hochleistungsrechnern auch der richtigen Datenbasis. Dabei hapert es noch bei der Berechnung der riesigen Methanvorräte sowohl unter Wasser als auch in den noch eisbedeckten Gegenden – ausgasendes Methan beeinflusst das Klima 25-mal stärker als Kohlendioxid.

Auch die schwefelsauren Partikel aus Industrie und Autoverkehr, die bis in große Höhen der Troposphäre vordringen und als Aerosol, Luftpartikelgemisch, vorliegen, werden bisher in nicht integriert. Die Arbeitsgruppe um die Physikerin Maria Facchini stellt in der jüngsten Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature Daten vor, die die Rolle des Ausstoßes von Schwefelverbindungen bei der Wolkenbildung zeigen. Die menschlich verursachten Aeosolpartikel lassen Wolken entstehen und zudem langlebiger werden. Wolken können aber sehr effektiv die einfallende solare Strahlung in das All zurückstrahlen und wirken so dem Treibhauseffekt entgegen.

Die derzeitigen globalen Modelle rechnen bisher simpel mit der möglichen Wolkenbildung und in der Folge verstärkten Sonnenabstrahlung mit klimakühlendem Effekt. Insgesamt gesehen sind die komplexen Rückkopplungen aber eine wichtige Eigenschaft des Klimas – und bedauerlicherweise wegen der komplizierten Prozesse noch schwer im Rechner zu simulieren.