Revolution im Rechteck

■ Umstrittene Volleyballregeln in der Zweiten Bundesliga, Eimsbüttel zu Saisonbeginn erfolgreich

Ein greiser Mexikaner fährt nach Tokyo, beschwatzt Sportfunktionärinnen zu einer Vielzahl von Regeländerungen und die ganze Volleyballwelt steht kopf. Monatelang diskutierten sich vor allem die Aktiven der unteren Freizeitligen die Zungen wund, doch die Revolution von oben wurde nicht aufgehalten.

Die gravierendsten Regeländerungen machen jetzt die Spielbälle bunt, vergeben bei jedem Ballwechsel einen Punkt, beenden die Sätze bei 25 Punkten und ermöglichen das unbegrenzte Ein- und Auswechseln auf der Libero-Position. Das Ziel des revolutionären Akts ist Volleyball mehr Zeit im Fernsehen zu verschaffen, denn nur das schafft Öffentlichkeit, um potente Sponsorinnen anzulocken.

Dieses Wochenende startete die 2. Bundesliga erstmals mit allen Neuheiten: Aus Hamburg mischen die Frauen des CVJM sowie die Herrenmannschaften des Eimsbüttler TV und des Aufsteigers TUS Berne in der zweithöchsten deutschen Volleyballspielklasse mit. „Die neue Zählweise ist nicht so schlimm wie ich befürchtet habe“, bilanziert Imke Böttcher, Zuspielerin des CVJM, ihre Erfahrungen aus dem ersten Punktspiel gegen den VC Eichwalde (bei Berlin). Mit 3:1 (25:18, 26:24, 17:25, 25:19) verloren die CVerinnen ihr Auftaktmatch am Samstag knapp und wischten in der Sorge um die verletzt ausscheidende Stefanie Oelsner jede kritische Reflexion zur Regelreform beiseite.

Das Abschneiden des CVJM verdient besondere Beachtung, weil nicht der mittlerweile übliche Weg im Leistungssport beschritten wird: Import von Söldnerinnen. Trainer Ulli Kahl setzt aus Überzeugung auf talentierte Sportlerinnen aus Hamburg; der Sponsorinnenmangel entbindet ihn von Alternativen. „Ich bin froh, dass es gelungen ist junge Spielerinnen von unserem Konzept zu überzeugen und mittelfristig an den CVJM zu binden.“, beschreibt Kahl die Verjüngung des Teams. Mit Pia Degenkolbe (17) und Anita Drese (18) sowie Steffi Oelsner (19) hat der CVJM bereits drei Juniorinnen der DVV-Auswahl im aktuellen Kader und beweist mit den nachdrängenden Teenies Imke Wedekind (15) und Johanna Bark (15), dass der eingeschlagene Weg erfolgreich sein kann.

Das gemeinsame Ziel des CVJM-Trainerkollektivs ist, in zwei Jahren wieder erstklassigen Volleyball in der Sporthalle Wandsbek zu zeigen. Das verlorene Saisondebüt wertet Ulli Kahl als Vorbereitungsspiel: „Ab Montag habe ich alle Spielerinnen im Training, dann ergeben sich auf dem Spielfeld auch weniger Abstimmungsfehler.“

Ähnlich ehrgeizig sind die Herren des ETV, die auf hohem Niveau mitspielen wollen und Platz 5 bis 12 anpeilen, während die Aufsteiger aus Berne nicht absteigen möchten. Die Eimsbütteler konnten am Sonntag imHeimspiel gegen den Aufsteiger USC Braunschweig 3:1 (25:22, 22:25, 25:18, 25:16) gewinnen. In der Sporthalle Gustav-Falke-Straße bemühen sich unterschiedliche Typen um den neuerdings bunten Ball: hochdekorierte Athleten wie Außenangreifer Axel Hager (30), Beachvolleyball-Profi und Olympiaheld, am oberen Ende der Altersskala und potente Newcomer wie Zuspieler Niclas Hildebrandt (19) und die Neuzugänge aus dem Frankfurter Volleyballinternat Felix Braun (20) und Gerrit Leinker (20).

Der Sieg der „Büttel“ wurde aufgrund der Vielzahl der geblockten Bälle und des hervorragenden Aufschlagspiels möglich. Axel Hager, nach 6 Monaten Beachvolleyball auf internationaler Bühne ans Kaifu zurückgekehrt, freute sich: „Super, diese jungen Büttel! Weiter so.“ Die Regeländerungen lassen ihn kalt: „Die Zählweise verändert nichts. Die spielstarken Mannschaften werden sich weiterhin durchsetzen.“ Berne unterlag zum Auftakt beim VC Bottrop mit 1:3.

Vermutlich werden die nun herbeigeführten Regeländerungen dem Hallenvolleyball nicht zu mehr, bzw überhaupt Fernsehberichterstattung verhelfen. Was aus grauer Funktionärsperspektive als Hoffnungsstrahl schien, um dem Volleyball und vor allem ihrem mexikanischen Leithammel zu mehr Publizität zu verhelfen, hat sich bislang als Irrtum erwiesen. Das beste Argument, um Öffentlichkeit herzustellen, sind Schmetterbälle von Kerstin Ahlke (CVJM). Demnächst in der Sporthalle Wandsbek.

Oliver Camp