Nicht nur eine Frage der Atmosphäre

■  Die schwule Szene im Motzstraßenkiez beunruhigt die Anwohner. Die Klagen reichen von Drogenhandel über Lärmbelästigung bis hin zum schnöden Vorurteil. Jetzt suchten die Kneipiers und die Bürger darüber das Gespräch

Eigentlich sollten auf Spielplätzen die Kinder durch den Sand toben. Auf der von Bäumen bewachsenen Spielfläche an der Fugger- Ecke Eisenacher Straße in Schöneberg scheint vergnügtes Kinderlachen jedoch zur Seltenheit geworden zu sein. „Das ist doch gar kein Spielplatz mehr“, meint Gabriele Weirauch, die schräg gegenüber in der Eisenacher Straße wohnt, „hier hängen inzwischen am Tag gelangweilte Ausländergruppen rum und saufen.“ „Die gehen doch alle ins Pinoccio“, pflichtet ihr ein kleiner, schnauzbärtiger Mann bei, „und auf den Strich.“ Gegen Abend könne man sogar Überfälle life aus dem Fenster beobachten, berichtete Martin. Der junge Student wohnt direkt gegenüber dem Spielplatz. „Es wird immer schlimmer.“

Weil die Wogen im Kiez hochschlagen, lud der „Regenbogenfonds der schwulen Wirte“, ein Zusammenschluss von 27 Wirten des Motzstraßenquartiers, am Freitag zum zweiten Kiezforum. Unter dem Motto „Kiez mit Charme oder Platz der Schande“ diskutierten AnwohnerInnen, Polizei, Gewerbetreibende, der Fraktionsvorsitzende der Schöneberger CDU, Reinhard Pospieszynski, sowie die grüne Bezirksbürgermeisterin Elisabeth Ziemer.

Größtes Problem der AnwohnerInnen ist die Ruhestörung. Gerade in der Motzstraße, wo ein schwules Café die nächste Homokneipe ablöst, findet anscheinend kein Anwohner vor 5 Uhr nachts Ruhe. Als „großstadttypisch“, bewerten das die einen, als „unerträglich“ die meisten der Anwesenden: „Ich möchte endlich mal wieder ohne Ohrstöpsel schlafen können“, klagte Weirauch auf dem Treffen. Besonders das Anfahren „der dicken Autos, aus denen Musik dröhnt, erlaubt kein Fenster zu öffnen“. Der dunkle Spielplatz würde zudem auch als „Drogenumschlagplatz“ genutzt, so die Stimmen entnervter TeilnehmerInnen. Um welche Drogen es sich handelt, konnte keiner so genau sagen, „es sei lediglich offensichtlich, dass da was gedealt wird“, so die Beobachtungen Martins. „Das zieht dann natürlich auch die Überfälle nach“, sagte der junge Mann weiter. Opfer seien dabei besonders die Stricher der anliegenden Kneipen.

Die Interessengemeinschaft der Anwohner macht aber nicht allein die Kriminalität zum Problem, sondern auch die schwule Kneipenszene, die „ein wenig die Atmosphäre verdirbt“, wie Martin Siegl, Mitbegründer der Initiative, gegenüber der taz sagte. Auch „benehmen sich die Jungs wie Platzhirsche, gesittete Leute mögen sowas nicht“. Ziel der Initiative sei es, „den Kiez ein wenig zu beruhigen“. Er persönlich habe nichts gegen Schwule, solange sie nicht so tun „als gäbe es nur sie auf der Straße“.

„Wir müssen unbedingt sortieren“, meinte Elisabeth Ziemer in dem Versuch, Ordnung in das Durcheinander der Beschwerden zu bringen. „Wir können nicht alle Probleme in einen Topf werfen.“ Den Kneipiers sei es dabei besonders wichtig „schwul, homosexuell und Strich nicht mit kriminell“ gleichzusetzen, sagte Ulli Menzer, Besitzer der dem Spielplatz anliegenden Stricherkneipe „Tabasco“. „Was soll man denn als Wirt machen“, fügte der Besitzer der zweiten Stricherkneipe „Pinoccio“, Rainer Menzer, hinzu, „wenn ich die wegjage, krieg ich doch auch eins auf die Schnauze.“

So schienen alle TeilnehmerInnen ein wenig hilflos. Die Bezirksbürgermeisterin appellierte an eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Wirten und Anrainern. Die Polizei bot eine verstärkte Zivilstreife an. Auch Bürgerinitiative, Streetworker und Vorschläge wie beispielsweise den Spielplatz zusätzlich zu beleuchten und einzuzäunen, kamen zur Sprache.

Ein bisschen Schwarzer Peter wurde dennoch gespielt. Kurz vor Schluss meldete sich ein Hausmeister zu Wort. Er befürchtete, dass sich, sollte die Situation um den Spielplatz verbessert werden, das Problem in seinen Hinterhof verlagert. „Ich sammel ja jetzt schon so viele Kondome nach dem Motzstraßenfest ein“, so der fleißige Mann, „dass ich einen Großhandel aufmachen könnte.“ Das sollte er dann besser doch nicht tun, schließlich sind die ja schon benutzt. Katrin Cholotta