Kreuzberger Eiche

■ Ingo wohnt seit dem Mauerfall auf einer Verkehrsinsel, von Autos umzingelt

Seit dem Fall der Mauer hat Ingo sein Bett und Schrank auf der Verkehrsinsel am Kottbusser Tor, einem Verkehrsknotenpunkt im Berliner Bezirk Kreuzberg. Über ihm rattert die U-Bahn und um ihn herum rauschen Tag und Nacht die Autos.

taz: Wer bist du?

Ingo: Ich heiße Ingo. Mich kennt hier jeder nur als Ingo. Früher hieß ich mal Burkhard, Burkhard Horstmann; aber jetzt nicht mehr. Ich war schon im Fernsehen und auch in der Zeitung.

Wie bist du in die Obdachlosigkeit geraten?

Vorher war ich verheiratet gewesen. Ich hab mich scheiden lassen, dann ging alles kaputt: Wohnung weg, Frau weg. Seitdem schlafe ich draußen. Normalerweise bin ich kein Berliner. Ich bin ein ehemaliger Fischkopp von die ehemalige DDR, aber ich wollte nach'm goldenen Westen. Und jetzt häng ich hier im goldenen Westen.

Seit wann lebst du schon auf der Verkehrsinsel?

Seit dem Fall der Mauer schlafe ich schon hier draußen.

Bietet dir das Sozialamt keinen Wohnplatz?

Vom Sozialamt bekomm ich nix, weil ich in der Yorckstraße dem Chef eine vor'n Kopp gehauen habe. Vor Wut. Seitdem krieg ich nichts mehr.

Ist es nicht fürchterlich kalt im Winter?

Ich bin im Sommer und im Winter hier. Ich halte schon aus, weil ich 'ne deutsche Eiche bin. Ich halte alles aus.

Warum lebst du gerade an diesem Ort?

Ich war hier in Kreuzberg kurz, ganz kurz, verheiratet mit einer ehemaligen alten Kuh. Ich habe mich scheiden lassen.

Gab es über die Jahre keine Probleme mit den Behörden und der Polizei? Man hat doch bestimmt versucht, dich von zu vertreiben.

Die Behörden und die Polizei, die kennen mich alle schon, die lassen mich in Ruhe. Die kommen sogar manchmal vorbei und geben mir 'ne Zigarette oder ein paar Pfennige. Ich bin immer hier und halte alles in Ordnung und bau keine Scheiße.

Hast du keine Angst vor Gewalt?

Wenn mir einer was antun will, der muss vorsichtig sein, dass ich ihm nichts antue. Der kriegt so eine vor die Fresse, dass der Krankenwagen kommen muss. Ich bin eine deutsche Eiche.

Wie lange denkst du, wohnst du noch hier?

Ich bleibe hier, solange es geht.

Möchtest du noch etwas sagen zum Schluss?

Normalerweise nicht.

Interview: Uwe Marx