: Mubarak hat noch nicht genug
Der ägyptische Präsident lässt sich in einem Referendum für eine weitere Amtszeit bestätigen. Die Oppositionsparteien sind schwach. So bleibt nur die Hoffnung auf eine politische Reform des „Systems Mubarak“ ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary
Es sieht so aus wie überall in der arabischen Welt, wenn sich der Ra'is, der Präsident, zur „Wieder“-Wahl stellt. Auch vor dem am Sonntag anstehenden Referendum, bei dem sich der ägyptische Präsident Husni Mubarak von seinem Volk erneut im Amt bestätigen lassen wird, lautet das Motto: „Zu viel kann gar nicht genug sein.“
Überlebensgroße Bilder des Präsidenten zieren wichtige Gebäude in der Kairoer Innenstadt. Auf allen Straßen und Plätzen verkünden tausende von Bannern „Ja, ja, ja zu Mubarak – wir lieben dich“ oder ähnliche tiefschürfende Slogans. Kommentatoren schreiben in den staatlichen Medien mit Editorials wie „die Wiederwahl Mubarak ist wie die Wiedergeburt des ägyptischen Volkes“ um die Wette. Firmen schalten huldigende Anzeigen für jenen Mann, der nun seit 18 Jahren das Land am Nil regiert und es sich nicht nehmen lassen will, dies für weitere sechs Jahre zu tun. Ein politischer Zirkus, der selbst in den vorhergegangen neun Präsidentschaftsreferenden seit Gamal Abdel Nasser seinesgleichen sucht.
Radikale Islamisten als größte Herausforderung
Fast zwei Jahrzehnte Mubarak ergeben eine durchwachsene Bilanz für Ägypten. Der ehemalige Luftwaffen-Oberbefehlshaber brachte dem Land relative Stabilität, die aber am Ende durch politische Stagnation erkauft wurde. Als Mubarak 1981 sein Amt übernahm, steckte das Land in einer tiefen Krise. Sein Vorgänger Anwar Al-Sadat war von militanten Islamisten niedergeschossen worden. Hunderte von Oppositionellen und Intellektuellen aller Couleur saßen hinter Gittern. Kritische Universitätsprofessoren und Journalisten waren zwangsbeurlaubt. Dank des 1979 mit Israel geschlossenen Friedensvertragens lagen die Beziehungen mit den arabischen Nachbarn in Scherben.
Mubarak machte sich mit Erfolg daran, die größten Knoten aufzulockern und die Lage zu beruhigen. Er schloss einen Burgfrieden mit der Opposition, entließ Gefangene und begann, die arabischen Beziehungen Stück für Stück zu reparieren. Selbst Kritiker Mubaraks geben zu, dass es ihm gelungen war, einem zerrütteten Land wieder etwas Ruhe und Stabilität zurückzugeben.
Neben den Problemen, eine wirtschaftliche Reform auf den Weg zu bringen, stellten sich die militanten Islamisten als die größte Herausforderung Mubaraks heraus. Aber hier verkündet die ägyptische Regierung in den letzten Monaten Erfolgsmeldungen. Das Problem sei eingedämmt, heißt es. Mit Hilfe eines brutal agierenden Sicherheitsapparates wurden die militanten Islamisten in den letzten Jahren immer mehr in die Defensive gedrängt. Der blutige Anschlag auf Touristen vor zwei Jahren bei den Tempeln von Luxor hatte zur fast völligen politischen Isolation der Militanten geführt.
In Anerkennung dieser Tatsache haben die meisten militanten Gruppen inzwischen einen Waffenstillstand ausgerufen. Und obwohl die offizielle Linie Mubaraks lautet, niemals mit Terroristen zu verhandeln, hat die Regierung in Kairo doch die Zeichen der Zeit erkannt und als eine Geste des guten Willens im Laufe des Jahres tausende von Islamisten still und leise aus den Gefängnissen entlassen.
Aber die Eindämmung der Islamisten hat dem Land einen hohen Preis abverlangt. Jahrzehnte der Notstandsgesetze, restriktiver Verordnungen für Oppositionsparteien, Berufsverbände und Gewerkschaften und ein erst kürzlich erlassenes Gesetz, das die „politische Arbeit“ von regierungsunabhängigen Organisationen wie Menschenrechtsvereinigungen unterbindet, haben über die Jahre jegliche ernsthafte politische Aktivitäten außerhalb der Regierung zunichte gemacht.
Zwar existieren Oppositionsparteien, die allerdings so schwach gehalten werden, dass sie nicht Einfluss nehmen können. Ihre Aktivitäten sind im wesentlichen beschränkt auf Versammlungen in ihren Büros und auf das Recht, eine Zeitung zu veröffentlichen. Dazu kommt, dass ihre Führungskader so hoffnungslos überaltert sind, dass der 71-jährige Mubarak im Vergleich als jung-dynamisch durchgehen kann.
Ihre Schwäche liefert die Opposition dem Gnadenbrot der Regierung aus, die ihr in den letzten manipulierten Parlamentswahlen in der 454 Sitze zählenden Volksvertretung gerade einmal ein gutes Dutzend Sitze zugeschoben hat. Und selbst diese Alibisitze fürchtet die Opposition zu verlieren. Nur so ist es zu erklären, dass sich alle Oppositionsparteien einer Ernennung Mubaraks als einzigem Kandidaten für das präsidiale Referendum ohne Widerstand gebeugt haben.
Da es ohnehin nie den geringsten Zweifel an der Wiederwahl Mubaraks gegeben hat, konzentrierten sich die meisten Diskussionen in Ägypten schon auf die Frage, was die neue Amtszeit des alten Präsidenten, neben ein paar ausgewechselten Ministern, bringen wird. „Entweder Mubarak folgt dem Schicksal des Indonesiers Suharto, oder er führt politische Reformen durch“, orakelt ein ägyptischer Geschäftsmann, dessen Namen zu erwähnen schlecht für ihn wäre. Viele der ägyptischen Intellektuellen sind pessimistisch und glauben, dass die nächste Amtsperiode Mubaraks von noch mehr Korruption und Repression gezeichnet sein wird, da das „überfällige“ Regime sich immer mehr bedroht fühlen wird.
Regionale Rivalität zwischen Ägypten und Israel
Andere zeigen sich optimistischer und hoffen, dass die nächste Amtsperiode neben weiteren wirtschaftlichen auch von politischen Reformen begleitet sein wird. Der Journalist Eissa glaubt, dass dies schrittweise passieren wird. Die ägyptische Führung könne auf Dauer nicht andere demokratische Experimente in der arabischen Welt, wie in Marokko und Jordanien, ignorieren, wenn Ägypten seine Führungsrolle behalte möchte, erklärt er.
Kernfrage wird sein, was mit den Islamisten geschehen wird. Vor zwei Monaten traten ehemalige Mitglieder der militanten Dschihad-Gruppe mit der Idee an die Öffentlichkeit, eine sogenannte „Scharia-Partei“ zu gründen. Junge ehemalige Kader der Muslimbrüder versuchen nun schon seit Jahren, eine offizielle Lizenz für ihre Partei namens „Wasat“ – Zentrum – zu bekommen. Einer der Gründer von Wasat, Abu Ella Madi, erklärte vor einer Woche gegenüber der arabischen Tageszeitung Al-Hayat, er hoffe, die Islamisten würden ins politische Sytem eingegliedert und seine Partei in der neuen Amtszeit Mubaraks offiziell zugelassen. Aber privat gibt er zu, dass dies eher Zweckoptimismus sei, um ein wenig Druck zu machen. Das gegenwärtige politische Klima sei alles andere als förderlich für sein Projekt, erklärt er.
Da keiner derzeit umwälzende Veränderungen im politischen System Ägyptens vorhersehen kann, dreht sich ein großer Teil der gegenwärtigen Diskussion in Ägypten um die Frage, welche Umstände Mubarak von der Notwendigkeit politischer Reformen überzeugen könnten. Für Mohammed Sid Ahmad, den bekanntesten Politologen Ägyptens, entstehen Zwänge zur politischen Reform nicht nur aufgrund der wirtschaftlichen Liberalisierung, sondern auch aus dem sich verändernden Verhältnis zum Nachbarn Israel. Da die meisten arabischen Länder voraussichtlich in den nächsten Jahren mit Israel zu irgendeiner Übereinkunft kämen, ändere sich auch das ägyptisch-israelische Verhältnis. Es entstehe eine Art israelisch-ägpytische Rivalität um die Vorherrschaft in der Region, glaubt Sid Ahmad. Um in dieser Konkurrenzsituation ernst genommen zu werden, könne die ägyptische Regierung nicht weiterhin lediglich die autoritäre Karte spielen. Um seine regionale Bedeutung in Konkurrenz mit Israel zu behalten, brauche es laut Sid Ahmad „in Zukunft eben etwas mehr als eine konstruierte Ja-ja-Wählerschaft“.
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