„Wir setzen Maßstäbe“

■ Pro-Familia-Chefin Gabriele Teckentrup im Interview

taz: Herzlichen Glückwunsch, Pro Familia in Hamburg wird 30. Was feiern Sie?

Gabriele Teckentrup: Wir setzen Maßstäbe, was die Einschätzung der Verhütungs- und Schwangerschaftsabbruchmittel angeht. Es gibt keine andere interessenunabhängige Organisation, die soviel Erfahrung und Qualifikation in diesem Bereich hat.

In der aktuellen Problematik der Spätabtreibungen behinderter Kinder hat man noch nichts von Pro Familia gehört.

Wenn eine Behinderung sehr spät offenbar wird, wäre ich persönlich dafür, nicht mehr abzutreiben. Insgesamt geht es Pro Familia jedoch darum, die Bedeutung der pränatalen Diagnostik zu relativieren. Die Methoden sind ungenau, und nur ganz wenige Krankheitsbilder lassen sich bei ungeborenen Kindern überhaupt erst feststellen. Gegenwärtig den Eltern das Gefühl zu geben, mit den Methoden der Naturwissenschaft ließen sich Zweifel ausschalten, ist falsch.

Hat Pro Familia noch Feinde?

In Hamburg nicht. Warum auch? Immerhin sind wir ein Ordnungsfaktor. Auf Bundesebene werden wir jedoch immer noch von den Lebensschützern angegriffen. Die rechten und/oder katholischen Organisationen sehen in uns den Verband, der die Abtreibung proklamiert.

Hat Pro Familia Hamburg Probleme?

Wie bei allen anderen sozialen Einrichtungen, die am Senatstropf hängen, hat sich auch unsere Arbeit unter dem Druck der Leistungsnachweispflicht verändert: Hauptsache, man weist hohe Kundenzahlen auf. Das schlägt sich in kürzeren Beratungsgesprächen nieder.

Natürlich bemängeln wir auch deshalb unsere stiefmütterliche Ausstattung mit Stellen. Gegenwärtig haben wir bloß sieben volle Kräfte. Die Münchner Pro Familia hat trotz geringerer Belastung ein Vielfaches.

Möglich wäre, das wir so wie die Drogenberatungsstellen plötzlich Konkurrenz von außen bekommen – es könnte sich jetzt ja jeder hinsetzen, eine Beratungsstelle aufmachen und Senatsgeld verlangen. Selbst wenn Konkurrenz das Geschäft belebt – auf Dauer würde so etwas zu Lasten der Qualität gehen.

Was würden Sie mit mehr Geld und Stellen machen?

Wir müssten das Schwangerschaft-und-AIDS-Problem aufgreifen, wir sollten verstärkt auf das Thema Sexualität im Alter eingehen, und vor allem müssten wir uns mehr um die ausländische Bevölkerung kümmern. Da herrscht ein riesiger Bedarf an Aufklärung. In der Beratungsstelle Wilhelmsburg etwa sind schon neunzig Prozent der Klientinnen und Klienten nicht deutsch. Wir bräuchten auch mehr Dolmetscherinnen.

Interview: Ulrike Winkelmann