Mehr als nur Paragraph 218

■ 30 Jahre Pro Familia in Hamburg: Eine Institution mit Zukunft

Der Name der Einrichtung ist ein wenig irreführend. Klingt „Pro Familia“ nicht allzusehr nach Kleinfamilienglück? „In Wirklichkeit“, sagt Gabriele Teckentrup, Vorsitzende von Pro Familia Hamburg, „unterstützen wir jede Lebens- und Zusammenlebensform.“ Für lange Jahre der Aufklärungs- und Unterstützungsarbeit in allen Fragen rings um Familie, Schwangerschaft und Sexualität werden die Hamburger Pro Familia-MitarbeiterInnen heute von der Gesundheitssenatorin Karin Roth (SPD) im Rathaus beglückwünscht und bekränzt: Denn Pro Familia Hamburg wird 30.

1969 öffneten die ersten Pro Familia-Beratungsstellen in Hamburg. Hervorgegangen war der Hamburger Zweig des 1952 in Kassel gegründeten Pro-Familia-Vereins aus dem „Beratungszentrum für Geburtenregelung e.V.“. Heute ist Pro Familia bundesweit die größte nicht-kirchliche Familienplanungs- und Beratungsstelle. Nur die katholische Caritas und das Diakonische Werk der evangelischen Kirche bieten ein annähernd umfangreiches Hilfeprogramm.

Pro Familia kann seinen Erfolg in Zahlen messen: In Hamburg kommen jährlich 7900 KlientInnen in die Sprechstunden, 7300 KlientInnen werden telefonisch beraten, und die Gruppenberatungen zählen über 1000 TeilnehmerInnen. Der Großteil der Ratsuchenden ist zwischen zwanzig und vierzig Jahre alt, achtzig Prozent sind weiblich, 78 Prozent sind deutscher Herkunft.

Jahrzehntelang kreiste die Arbeit von Pro Familia um den Schwangerschaftsabbruch: Die Geschichte des §218 des Strafgesetzbuches ist auch die Geschichte von Pro Familia, wo man vom ersten Tag an für das Selbstbestimmungsrecht der Frau eintrat. „Wir waren immer gegen die Strafbarkeit des Abbruchs – haben aber nichts gegen verbindliche Regelungen“, erläutert Erben den Kurs, den Pro Familia genommen hat.

Nach der Neufassung der §§218 und 219 StGB, die Anfang 1995 in Kraft traten, „rannten uns die Leute die Türen ein“, berichtet Pro-Familia-Mitarbeiterin Hannah Erben. Die neue Regelung, die eine Fristen- mit der hergebrachten Indikationslösung kombinierte, wurde auch von den Ärzten als so verwirrend empfunden, daß sie ratsuchende oder abtreibungswillige Frauen zur gesetzlich vorgeschriebenen Schwangerenkonfliktberatung zu Pro Familia schickten. „Mittlerweile machen die Ärzte die Beratung auch wieder gerne selbst“, sagt Erben. Wie sehr Pro Familia in Anspruch genommen werden wird, wenn die katholischen Beratungsstellen dank des Papst-Diktums dicht machen müssen, ist noch offen.

Gegenwärtig jedoch baut Pro Familia die anderen Standbeine neben der Schwangerenkonfliktberatung aus: Sexualpädagogik, sozialrechtliche Beratung, Paarberatung und der ganze Arbeitsbereich „Elternwerden“. „Gerade in der Betreuung und Begleitung junger Eltern sind in Hamburg Mängel zu verzeichnen“, sagt Erben. Pro Familia kritisiert deshalb die Kürzungen bei schon bestehenden Einrichtungen wie Mütterzentren und Elternschulen.

„Es gibt keine vollständige Hebammenversorgung für die Fälle, wenn nach der Geburt Komplikationen eintreten.“ Ein Info- oder Not-Telefon für alle Eltern, „zum Beispiel bei Wochenbettdepressionen und Problemen mit sogenannten Schreibabys“ sowie niedrigschwellige Angebote für ganz besonders junge Mütter wären dringend nötig, zählt Erben auf.

Insgesamt jedoch ist man bei Pro Familia mit der Hamburger Familien(planungs)politik zufrieden. „Wir haben vom Senat immer nur Unterstützung erfahren“, sagt Erben. Auch das dürfte heute abend auf der Jubiläumsparty in der Pro Familia-Zentrale an den Kohlhöfen (Neustadt) ein Grund zu feiern sein.

Ulrike Winkelmann