Italiens Ex-Premier Andreotti vom Mordvorwurf freigesprochen

■ Richtern in Perugia reichen Indizien für Anstiftung zum Mord an einem Journalisten nicht aus

Rom (taz) – Der frühere italienische Premier Giulio Andreotti, der 50 Jahre lang maßgeblich die italienische Nachkriegspolitik bestimmte, ist vom Vorwurf, 1979 den Mord an einem Journalisten angestiftet zu haben, freigesprochen worden. Das Urteil wurde gestern Abend in Perugia verkündet. Nach Ansicht des Gerichts reichten die in einem mehr als dreijährigen Verfahren gegen den inzwischen 80-jährigen Politiker gesammelten Indizien der Staatsanwaltschaft nicht aus. Der Journalist Mino Pecorelli war ermordet worden, just einen Tag bevor er in seiner Zeitung einen Text mit dem Titel „Die Schecks des Ministerpräsidenten“ drucken wollte, in dem Belege für umfangreiche Schmiergeldzahlungen Andreottis vorgelegt werden sollten. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hatte Andreottis enger Vertrauter Claudio Vitalone, vordem Untersuchungsrichter und auch Minister, den Mordbefehl an die „Banda della Magliana“ weitergeleitet, einen römischen Ableger der palermitanischen Mafia, die dasAttentat dann ausführte. Belastet wurde Andreotti insbesondere durch die Aussage des Mafia-Kronzeugen Buscetta, der sagte, der Mord sei „su interessamente di Andreotti“ begangen worden. Diese Redewendung kann vielerlei bedeuten: „aufgrund eines Hinweises“, „angestachelt von ...“, „angeordnet“, aber auch nur „im Interesse von ...“. Das Gericht hat sich offensichtlich für die harmloseste Variante entschieden.

Mit Andreotti wurden seine Mitangeklagten freigesprochen – wegen „erwiesener Unschuld“. Die mit angeklagten Mafiosi waren von mehrerer früheren Kumpeln belastet worden: Mit dem Mord habe sich die römische Kolonne der Mafia Andreotti gewogen machen wollen.

Ganz aus seinen Kalamitäten heraus ist Andreotti jedoch noch nicht: In wenigen Wochen geht in Palermo ein Prozess zu Ende, in dem er wegen Bildung einer mafiosen Vereinigung angeklagt ist. Und dort sind nach dem Urteil zahlreicher Beobachet die Indizien wesentlich dichter und glaubwürdiger als im Fall Pecorelli.

Werner Raith