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Unkritisch

Betr.: Toleranz unter der Haube, taz hamburg vom 28./29. August 1999

(...) Ich zitiere Taslima Nasrin, die, wie Sie sicher wissen, seit Erscheinen ihres Buches „Scham“ in Bangladesh von islamischen Fundamentalisten mit dem Tod bedroht wird (sie musste ihr Land vor wenigen Monaten erneut verlassen ...): „Keine muslimische Frau, die sich ihrer Persönlichkeit und ihrer Rechte bewusst ist, kann das Kopftuch tragen, weil es das Eingeständnis einer Unterlegenheit ist. Als wir in Bangladesh einen laizistischen Staat hatten, waren die Frauen die ersten, die von der Obrigkeit die Abstimmung über ein Gesetz verlangten, das das Tragen des Schleiers, des Kopftuches verbietet – und das zum Wohle der Frauen.“

Nun, dem ist nichts hinzuzufügen, denke ich.

Dass Sie in Ihrem Artikel über die Referendarin Susanne B. (und deren Aussagen zum Schwimmunterricht für Mädchen z.B.) nicht einmal den Anflug einer kritischen Reflexion erkennen ließen, ja, dass Sie die, mit Verlaub, ganz offensichtlich schlicht und einfach „bewusstlose“ junge Frau auch noch als „Pionierin“ bezeichneten, hat mich schier fassungslos gemacht:

Das Kopftuch ist schließlich nichts anderes als Ausdruck von Unterdrückung (und haarsträubender Benachteiligung) von Frauen im Islam, das Tragen desselben wird von ihnen gefordert, weil von ihren Haaren angeblich eine „schädliche Strahlung“ ausgehe ... Ist das nicht „Patriarchat at it's best“? (Das können Sie im Koran nachlesen, und auch, dass durch das Tragen des Kopftuches verhindert werden soll, dass Männer „schlechte und aufreizende“ Signale empfangen ...)

Das französische Kultusministerium verbot vor nicht allzulanger Zeit das Tragen des Kopftuches im Schulunterricht, es hat sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht: Wir leben, Gott sei Dank, im Zeitalter der Realisierung der Gleichberechtigung der Frau; wäre die Entscheidung anders ausgefallen, hätte sie nichts anderes als einen elementaren Verrat am Kampf für die Durchsetzung von Frauenrechten bedeutet:

Dass Sie, die Mitarbeiterin einer Zeitung, die für sich in Anspruch nimmt, in kritischer Weise über das politische Tagesgeschehen zu berichten, Sie, eine Frau dazu, nicht imstande waren, das schier skandalöse Ereignis als das zu entlarven, was es ist: ein fragwürdiges Toleranzverständnis nämlich in Sachen Religion, das letztlich nichts anderes bedeutet als die behördlich legitimierte Fortführung der Unterdrückung von Frauen nämlich, und das im Namen von „Weltoffenheit“ und „Liberalität“..., hat mich (und nicht nur mich) schier fassunglos gemacht: jahrelange Versuche der Aufklärung im Bereich Jugend- u. Erwachsenenarbeit in Hamburg und Berlin – nichts als – Sisyphusarbeit... Das macht schon traurig.

Eva Ekelöf, Soz.Päd.

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