: Kinderzimmer Productions
■ Ein schwarzer Albtraum, ganz aus Seide: Meret Becker und Band erzählen im Hebbel-Theater Schauermärchen zu lauter Musik
Es schrabbelt, rasselt und poltert, rumpelt und knarzt. Die Bühne: übervoll mit Instrumenten klassischer Art. Dazu jede Menge bunt durcheinander gewürfelte Gegenstände, ein ganzes Kinderzimmer voller Tröten, Trommeln, Megaphone, Blechschüsseln und Stahlplatten. Das macht ordentlich was her. Und dann macht eine fünfköpfige Band aus diesem Kinderzimmer ein Musikinstrument, klopft, schlägt und bläst, erzeugt rhythmischen Krach und wohl temperierten Lärm.
Und Meret Becker? Sie ist ganz leise. Die singende Schauspielerin und selbstdarstellende Chanteuse ist ein weiteres Mal die Kindfrau, gibt sich unschuldig, mit kieksender, heller Stimme und schüchternen Bewegungen.
„Nachtmahr“ heißt ihr neues Programm, und ein wenig gruselig soll's wohl sein. Makabre Geschichten von Hexen, finsteren Träumen, Wahngestalten, Geistgestörten und Schattenwesen. Dunkle Moritaten, die in ihren schönen Momenten (und wenn die lärmende Musik die Texte mal nicht überlagert) von trauriger Schönheit sind. Die meisten hat Meret Becker selbst getextet und vertont, anderes ist entlehnt von Rio Reiser, Thomas Brasch und sogar Gottfried Keller. Ihr Lieder erzählen Geschichten in blumig-barocker Sprache mit oftmals reichlich schiefen Bildern – aber man könnte natürlich auch eigenwillig dazu sagen.
Doch trotz aller Sympathie für das ausgelassene Kindertheater, die Freude, mit der man hier schnell ein Hackbrett, dort die Singende Säge für ein paar Minuten aus der Vergessenheit und zum musikalischen Einsatz bringt – Tom Waits schafft den selben Sound, nur dass bei Becker & Co. leider eins fast wie's andere klingt. Bei ihren Songs überraschen dann nur die immer neuen Geräuscheffekte: Beckers Ehemann und Einstürzende-Neubauten-Musiker Alexander Hacke trommelt barfuß und elegant im schwarzen, seidenen Schlafanzug, mal eben auf einer Glasvase herum oder lässt Styropor quietschen, während Ulrike Haage von den Rainbirds das Innenleben eines Flügels malträtiert.
Dunkel werde das Programm, hatte Meret Becker zu Beginn ihres Konzerts gewarnt, und folglich sorgen die Beleuchter für schummrige Atmosphäre. So einfach ist Effekt zu machen. Ein Schlag auf den Hinterkopf seien ihre Lieder, hatte die Sängerin in ihren roten Ballerinaschuhen dann allerdings auch noch angekündigt. Da hatte sie dann wohl etwas zu viel versprochen. Axel Schock
Noch bis zum 2. Oktober, jeweils 20 Uhr, Hebbel-Theater, Stresemannstr. 29
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