Schlechtes Zeugnis für Gesamtschulen

■ Eine neue Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Gesamtschulen bessere Noten vergeben als Gymnasien. Die Aufregung ist groß – die Studie indes noch gar nicht veröffentlicht

Berlin (taz) – Der Streit ist ausgebrochen, bevor die neue Studie überhaupt erschienen ist. Das Thema: ein Leistungsvergleich zwischen Gesamtschülern und Gymnasiasten in Nordrhein-Westfalen. Die Max-Planck-Gesellschaft für Bildungsforschung untersuchte die Mathematikkenntnisse von Oberstufenschülern und stellte dabei gravierende Unterschiede fest: Ein identisches Testergebnis wurde in einem Leistungskurs (Lk) eines Gymnasiums mit einer 4– bewertet, in einem Grundkurs (Gk) jedoch mit einer 3–. In einer vergleichbaren Gesamtschule lautete die Lk-Note 2– und im Gk sogar 1. Im Schnitt, so die Studie, lägen die Bewertungen von Gesamtschullehrern um eine Note besser als bei ihren Kollegen im Gymnasium.

Mehr ist bislang noch nicht bekannt. Denn: Die gesamte Studie wird erst am Freitag vorgestellt, in der neuen Ausgabe der „Zeitschrift für Erziehungswissenschaft“. Professor Jürgen Baumert, der Autor der Studie, hat gezielt seine Analysen nicht schon zum Kommunalwahlkampf veröffentlicht, da er befürchten musste, dass sie instrumentalisiert werden – im bewährten Kampf der Christdemokraten gegen die Gesamtschulen. Doch auch jetzt, noch ohne Kenntnis der Studie, melden sich schon die ersten Kritiker zu Wort. Im Berliner Tagesspiegel etwa werden alle alten Argumente der Gesamtschulgegner akribisch aufgelistet: auf Mindeststandards sei dort kein Verlass, das Eingangsniveau der Schüler zu unterschiedlich, um sie erfolgreich zum Abitur zu führen, und Unternehmer und Professoren klagten über die schlechten Grundkenntnisse der Schulabgänger.

Unvermeidlich wird in den nächsten Tagen auch an die frappierenden Ergebnisse der TIMMS erinnert werden, der „Third international Mathematics and Science Study“. Im Frühjahr hatte die internationale Schulvergleichsstudie die Kenntnisse deutscher Oberstufenschüler als bestenfalls „mittelmäßig“ bewertet – sie scheiterten vor allem daran, unterschiedliche Wissensgebiete in Verbindung zu setzen. Nur: Diese Klagen beziehen sich auf Mängel im gesamten Bildungssystem, Gesamtschulen betreffen sie genauso wie Gymnasien.

Nicht zuletzt deshalb hat auch die Bildungsministerin von Nordrhein-Westfalen, Behler, die Kritik an ihren Gesamtschulen zurückgewiesen: „Gewisse Unterschiede in der Bewertung wird es immer geben. Sie braucht man an Schulen, wenn sie ein eigenes Profil haben sollen.“ Im übrigen versuche sie die Vergleichbarkeit der Standards zu sichern, indem sie Fremdkorrekturen beim Abitur durchführen lasse. Die GEW erklärte dagegen: Nicht nur die Qualität der Schulen sei wichtig. Man müsse endlich auch wieder über die Chancengleichheit der Schüler sprechen.

Daniel Haufler