Trittin und Hessens CDU wachküssen

■ Auf dem ehemaligen Todesstreifen zwischen BRD und DDR sind bis heute keine Naturschutzgebiete entstanden

Fulda (taz) – „Wachküssen“ will der Naturschutzbund (Nabu) die Politiker in Wiesbaden und Berlin oder ihnen „ans Schienbein treten“. Die hätten nämlich die nach der Wende euphorisch angekündigte Vernetzung der „wertvollen Lebensräume“ entlang des ehemaligen Todesstreifens – von der Ostsee bis zum Fichtelgebirge – „mehr als nur verschleppt“, sagte der Landesvorsitzende des Nabu-Hessen, Rüdiger Wagner, gestern in Fulda. Insbesondere in Hessen, von 1991 bis 1999 von SPD und Bündnisgrünen regiert, sei „fast nichts“ von dem umgesetzt, was die CDU-geführte Vorgängerregierung 1990 auf Vorschlag der Umweltverbände per Erlaß für die nahe Zukunft verfügt habe: die Sicherstellung von über 60 ökologisch wertvollen Arealen entlang der ehemaligen „innerdeutschen“ Grenze durch die Ernennung zu Naturschutzgebieten. Gerade einmal 15 Naturschutzgebiete seien unter der Regierungsverantwortung von SPD und Bündnisgrünen ausgewiesen worden, schimpfte Wagner. Damit sei Hessen „das Schlußlicht“. Lob vom Nabu gab es dagegen für die Ostländer Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Sie spielten bei der Schaffung eines „grünen Bandes“ aus Naturschutzgebieten, Biosphären-Reservaten und geschützten Landschaftsbestandteilen entlang der einstigen „Zonengrenze“ eine Vorreiterrolle. Auch Bayern habe seit 1990 die Anzahl der Naturschutzgebiete im ehemaligen Grenzbereich „vervierfacht“, so Nabu-Geschäftsführer Hartmut Mai. In Hessen jedoch werde das grüne Band immer weiter zerschnitten, etwa durch die geplante Schnellstraße zwischen Fulda und dem thüringischen Meiningen.

Dabei müsste sich doch die CDU-geführte aktuelle Landesregierung an die Erlasse ihrer Parteifreunde erinnern, die schließlich auch 1990 in der Landesregierung saßen, sinnierte Wagner. Trittin hingegen habe sich am Willen von Klaus Töpfer (CDU), dem Bundesumweltminister der Wendezeit, zu orientieren. Der habe sich damals für das „Projekt grünes Band“ stark gemacht, das fünf Kilometer breit und 1.378 Kilometer lang werden sollte.

Allerdings werden die Grundstücke in den ehemaligen Sperrgebieten von der Bundesvermögensverwaltung auch zum Verkauf angeboten; Alteigentümer können ihre Grundstücke zu 25 Prozent unter dem aktuellen Marktwert zurückkaufen. Damit die Grundstücke dann nicht landwirtschaftlich genutzt oder gar für Jäger freigegeben werden, müssten sie aber unter Naturschutz gestellt werden, fordert der Nabu. Schließlich gehe es darum, eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten, so der Naturschutzreferent des Nabu, Mark Harthun. In dem 40 Jahre lang gesperrten Refugium wurden nach der Grenzöffung ausgestorben geglaubte Arten entdeckt: etwa das Knabenkraut, eine Orchideenart; oder das Blaukehlchen, der Schwarzstorch und das Birkhuhn. Für Harthun „nationales Naturerbe“. Und das müsse zehn Jahre nach der Wende endlich „sichergestellt“ werden.

Klaus-Peter Klingelschmitt