Ein Anwalt zeigt Einsatz

Peter Eckstein-Kovacs, als Angehöriger der ungarischen Minderheit in Rumänien selbst oft Zielscheibe nationalistischer Umtriebe, gehört seit Februar als Minister für Minderheiten zum Regierungskabinett. Wo ein Kosovo möglich ist, findet er, ist so ein Ministerium eine fantastische Sache. Seine Sorge gilt derzeit hauptsächlich den zwei Millionen Roma, die in seinem Land leben Von Keno Verseck

Er hat, was den meisten Politikern in Rumänien fehlt: Grundsätze und Humor. Seine Arbeit als gefragter Anwalt tauschte er gegen einen schlecht bezahlten Ministerposten. Während seiner ersten Regierungssitzung herrschte er den Innenminister an, als dieser über „kriminelle Zigeuner“ referierte: „Solange ich an diesem Tisch sitze, wird nicht gegen Minderheiten gehetzt.“

Peter Eckstein-Kovacs fiel in den Wirren des rumänischen Postkommunismus von Anfang an als glaubwürdiger Politiker auf. Nach dem Sturz des Diktators Nicolae Ceausescu ging er für den „Demokratischen Verband der Ungarn in Rumänien“ ins Parlament – und machte sich dort bei der Mehrheit durch seinen Einsatz für Menschenrechte und Minderheiten schnell unbeliebt. Vor Gericht prozessierte der jüdisch-ungarische Anwalt meist erfolgreich: für die Rückgabe von Immobilien, die der kommunistische Staat einst enteignet hatte, für unbequeme Journalisten, für von der Polizei misshandelte Roma, für Eltern, deren Kinder in staatlichen Krankenhäusern mit Aids infiziert worden waren.

Innerhalb des Dachverbandes der ungarischen Minderheit gründete Eckstein die „Liberale Vereinigung“ mit und geriet so manches Mal bei Nationalisten aus den eigenen Reihen als „moderat“ und „versöhnlerisch“ in Verruf. Dass der 43-jährige in Einstellung und Stil nicht der Mehrheit der politischen Elite gleicht, passt auch zu seinem jetzigen Amt: Peter Eckstein-Kovacs ist seit Februar Minister für Minderheiten. In einer Region mit notorischen Minderheitenproblemen ein unerhörtes Amt. „Da, wo ein Kosovo möglich ist“, sagt Peter Eckstein-Kovacs, „ist ein solches Ministerium eine fantastische Sache. Minderheiten können ihre Angelegenheiten auf höchster Ebene vertreten und mit der Regierung einen direkten Dialog führen. So kann Konflikten vorgebeugt werden.“

Siebzehn nicht rumänische Volksgruppen leben in Rumänien. Darunter zwei Millionen Roma, 1,6 Millionen Ungarn, hunderttausend Deutsche, sechzigtausend Ukrainer und weitere dreizehn Minderheiten, die meisten mit nur einigen tausend Angehörigen. Zusammen machen sie mehr als zehn Prozent der Bevölkerung aus. Konflikte zwischen ihnen und der rumänischen Mehrheit gab es in den letzten Jahren oft. Drei Monate nach dem Sturz Ceausescus entging das Land nur knapp einem „Kosovo-Szenario“, als ehemalige Offiziere des Geheimdienstes Securitate gegen die ungarische Minderheit aufhetzten: Bei Ausschreitungen in der siebenbürgischen Stadt Tirgu Mures kamen mehrere Menschen ums Leben, Dutzende wurden verletzt. Auch Selbst- und Lynchjustiz gegen Roma standen auf der Tagesordnung – mit stiller, manchmal öffentlicher Billigung der Behörden.

Nachdem die demokratische Opposition bei den Wahlen vom November 1996 das neokommunistisch-nationalistische Regime des Staatspräsidenten Ion Iliescu abgelöst hatte, beteiligte sich auch der Ungarnverband an der neuen christlich-sozialdemokratisch-liberalen Regierungskoalition. Das Minderheitenministerium schufen die neuen Machthaber, „weil das eine unserer Forderungen im Ungarnverband war“, so Eckstein-Kovacs, „aber auch, um ein politisches Zeichen an die Minderheiten und an das Ausland zu setzen“.

Seitdem geht es mit viel Anstrengung und Druck in mühseligen Schritten voran: Nach jahrelangem Widerstand hat das rumänische Parlament die Europäische Minderheitencharta ratifiziert. Die Regierung gab einigen Minderheiten Immobilien zurück, wie Schulen, Kirchen oder Theater, die unter den profaschistischen und kommunistischen Diktaturen enteignet worden waren. Das Ministerium hat dem Parlament mehrere Gesetzentwürfe vorgelegt, darunter ein Antidiskriminierungsgesetz und eines zur Entschädigung der Juden und Roma, die während des Kriegs deportiert wurden.

Viele Abgeordnete der kleinen Minderheiten – die im Parlament einen Pflichtsitz erhalten, wenn sie die Vierprozenthürde nicht überspringen – befürchteten zunächst, dass das Ministerium nur den Interessen der Ungarn dienen würde, die im Parlament immerhin mit sieben Prozent vertreten sind. Mittlerweile schätzen sie Peter Eckstein-Kovacs als ihren Fürsprecher in der Regierung. Doch der sieht sich erst am Anfang seiner Arbeit. „Am wichtigsten ist, die Lage der Roma zu verbessern“, sagt er, „sie leben in einer fast aussichtlosen Situation. Das betrifft Wohn-, Gesundheits-, Bildungs- und Arbeitsbedingungen. Zudem sind sie oft Vorurteilen ausgesetzt. Der Staat muss sich fest entschließen, ihre Lage zu verbessern.“

Solch großen Ziele vor Augen, ist Peter Eckstein-Kovacs freilich nur allzu oft mit der Misere im rumänischen Staats- und Regierungsapparat konfrontiert. Einer seiner Berater klagt über den verknöcherten Bukarester Regierungsapparat und das Desinteresse vieler Angestellter im Ministerium. Um kompetentere, engagierte Experten einzustellen, fehlt das Geld. Manche Ministerien ignorieren das Minderheitenressort in Sachfragen schlicht, obwohl sie zu einer Kooperation verpflichtet wären. Peter Eckstein-Kovacs kommentiert es diplomatisch: „Wenn die Regierung Minderheiten wirklich als eine Bereicherung empfindet, dann erleichtert das unsere Arbeit.“ Tatsächlich herrscht in der rumänischen Gesellschaft noch immer die Idee von „mitwohnenden Nationalitäten“ vor, wie Minderheiten unter Ceausescu hießen.

Hass auf Roma ist allgegenwärtig, die Ungarn gelten oftmals als fünfte Kolonne Budapests. Viele Rumänen empfinden Minderheitenrechte als großzügige Geschenke. Oder als unakzeptable Zugeständnisse einer ohnehin viel zu toleranten Nation: So werden in vielen siebenbürgischen Ortschaften, in denen Deutsche und Ungarn leben, regelmäßig die mehrsprachigen Ortsschilder übermalt – meistens mit den rumänischen Nationalfarben Blau-Gelb-Rot.

Aus Furcht vor der öffentlichen Stimmung, vor der nationalistischen Parlamentsopposition und auch vor Nationalisten in den eigenen Reihen hat die Bukarester Regierungskoalition in den letzten Jahren viele Projekte zur Verbesserung der Minderheitenrechte zurückgezogen. So scheiterte die Gründung einer deutsch-ungarischen Universität in Siebenbürgen nach mehrjährigen Diskussionen am Widerstand der Parlamentsmehrheit. Peter Eckstein-Kovacs ist manchmal versteckte Enttäuschung anzumerken. Doch er bemüht sich „die volle Hälfte des Glases“ zu sehen: „Die Regierung hat wenig gewagt und viele unserer Wünsche nicht erfüllt. Aber bei der Verbesserung der Mehrsprachigkeit im Bildungswesen und im Bereich der Lokalverwaltungen gab es Kompromisse. Das ist ein akzeptabler Fortschritt.“

Pragmatismus, der umso mehr erstaunt, als der Minderheitenminister selbst ständig Zielscheibe nationalistischer Angriffe ist. „Er hat die Geschichte Rumäniens nur in Ungarisch gelesen und reagiert gewalttätig auf alles Nationale“, schrieb die größte Tageszeitung des Landes, Adevarul („Die Wahrheit“), in einem Leitartikel kürzlich über ihn. Andere Zeitungen beschuldigten ihn, für Ungarn zu spionieren. Nationalistische Politiker forderten seine Verhaftung oder seine Ausweisung aus Rumänien – wahlweise nach Ungarn oder Israel.

Doch auch das sieht Peter Eckstein-Kovacs gelassen. „Ich verstehe mich als liberaler Modernist, als Reformer. Das kollidiert oftmals mit dem hiesigen Traditionalismus, der nicht nur bei Rumänen, sondern auch bei Ungarn verbreitet ist. Es geht hier auch um ein Generationsproblem. Die jungen Leute sind offen für liberale Sichtweisen. Deshalb fühle ich mich nicht allein.“

Keno Verseck, 32, lebt als Korrespondent der taz und der Deutschen Welle in Bukarest. Voriges Jahr erschien in der Beck'schen Reihe sein Band „Rumänien“, 216 Seiten, 22 Mark