Editorial

Vor zehn Jahren hatte der real existierende Sozialismus schon keine Chance mehr. Die Bewohner der sowjetisch dominierten Staaten in erster Linie haben dafür gesorgt, dass der – im Kalten Krieg so titulierte – Eiserne Vorhang niedergerissen wurde. Und niemand war von dieser Entwicklung überraschter als die Menschen im Westen.

Neunzehnhundertneunundachtzig ist seither nicht nur eine Jahreszahl; vielmehr bezeichnet das Wort einen Epochenwechsel. Jedenfalls für uns Europäer. Nach zehn Jahren lohnt es, erste Bilanz zu ziehen, die dennoch nicht mehr bewerten kann als Etappen des Umbruchs.

Wenn Deutschland morgen seine Vereinigung feiert, wird man sich an viele Stationen erinnern – und doch immer auf ein Bild zurückkommen: die Überwindung der Berliner Mauer am Abend des 9. November. Aber nicht alles in diesen Tagen drehte sich um Jubel an innerdeutschen Grenzübergängen. Diese Ausgabe des taz.mag wirft deshalb ein Licht auf die nachsozialistischen Wirklichkeiten jenseits des deutschen Gartenzauns. Auf die Berliner, auf die deutsche, auf die europäische Realität. Und auf die private, irgendwo auf dem Globus an jenem 9. November 1989.