Ökolumne
: Gebeutelte Bäcker, beschenkte Konzerne

■ Die Ermäßigungsregel für Firmen von der Ökosteuer ist ungerecht

Die Ökosteuer wird am Montag im Bundestag beraten, und kein Mensch regt sich auf. Ein neuer Erfolg der PR der Bundesregierung? Zum Teil sicher: Denn seit die Koalition im Juni die Eckpunkte für die Jahre 2000 bis 2003 veröffentlicht hat, sind keine wesentlichen Änderungen mehr vorgenommen worden – ganz im Gegensatz zur Hektik bei der ersten Stufe. Ein positives Signal also: mehr Berechenbarkeit.

Es bleibt aber ein schaler Nachgeschmack. Die Öffentlichkeit ist auch deshalb so gelassen, weil der Reform nach und nach die Zähne gezogen wurden. Die Mineralölsteuer wird stetig, aber in Sechs-Pfennig-Trippelschritten angehoben, was bestenfalls den Kraftstoffverbrauch stabil hält. Die Stromsteuererhöhung um 0,5 Pfennig jährlich wird von den gelben und blauen Dumpingangeboten hinweggefegt. Und die Heizöl- und Erdgassteuern werden eingefroren.

Das schlechte Image der Ökosteuer ist wohl auf drei Kardinalfehler zurückzuführen: Erstens die kaum spürbare Entlastung für die Umwelt und die Lohnnebenkosten aufgrund der geringen Steuersätze. Zweitens der Eindruck, dass die Regierung selbst nicht mehr richtig hinter der Reform steht. Und drittens das soziale Ungleichgewicht beim Steueraufkommen, weil die Unternehmen mit großzügigen Ermäßigungen bedacht werden, während Verbraucher die vollen Steuersätze zahlen.

Die ersten beiden Fehler sind nur im zähen politischen Kräftemessen wieder zu korrigieren. Die Ökosteuer-Ermäßigungen aber werden bald wieder auf der politischen Agenda stehen, denn die EU hat den Regelungen nur befristet zugestimmt. Deshalb hat der BUND die Ermäßigungen unter die Lupe genommen und ein alternatives Modell entwickelt, das mehr Ökosteuer-Gerechtigkeit schafft.

Was ist an den zur Zeit geltenden Ermäßigungen auszusetzen? Das produzierende Gewerbe erhält 80 Prozent Ermäßigung auf die Heizöl-, die Erdgas- und die Stromsteuer. Diese Regelung ist willkürlich: Nicht jede Firma, die vom Statistischen Bundesamt dem produzierenden Gewerbe zugeordnet wird, ist mit hohen Energiekosten belastet. Im Bekleidungsgewerbe beträgt der Energiekostenanteil am Produktionswert nur 0,6 Prozent, im Büromaschinenbau nur 0,4 Prozent – verschwindend wenig im Vergleich zu Kohlenbergbau (10,5 Prozent) oder Glasindustrie (5,2 Prozent). Dienstleister werden benachteiligt, weil sie keine Ermäßigung beantragen können; kleine Firmen, weil sie oft nicht über den Sockelverbrauch für Ermäßigungen kommen – wie etwa Bäckereien.

Ein weiteres Steuergeschenk für die Großen ist der Selbstbehalt: Falls ein Unternehmen mehr an Ökosteuern zahlt, als es an den gesenkten Lohnnebenkosten wieder einspart, darf er sich am Jahresende vom Finanzamt vier Fünftel des mehrgezahlten Betrages zurückerstatten lassen. Energieintensive Konzerne wie die Heidelberger Zement AG oder BASF können ihre Ökosteuer-Zahlungen so um bis zu 99 Prozent drücken. Kein Wunder, dass sich der BASF-Vorstandsvorsitzende Jürgen Strube nach Inkrafttreten der ersten Stufe bei der Koalition für dieses Entgegenkommen bedankt hat.

Mit dem BUND-Ermäßigungsmodell sollen die Unternehmen mehr Energiesparanreize erhalten, ohne überlastet zu werden. Nicht ganze Branchen, sondern jedes Unternehmen kann individuell je nach Energiekostenbelastung eine Ermäßigung beantragen. Die wird dann nicht pauschal mit 80 Prozent angesetzt, sondern stufenlos in Abhängigkeit von der Energieintensität. Der Clou dieser Regelung: Die Unternehmen, bei denen die Ökosteuer-Zahlungen unter 0,5 Prozent Anteil an der Wertschöpfung liegen, erhalten keine Ermäßigung und unterliegen den vollen Anreizen zum Energiesparen. Die besonders energieintensiven Unternehmen werden aber so stark abgefedert, dass ihre Ökosteuerzahlungen niemals über zwei Prozent Anteil von der Wertschöpfung steigen – je nach Fertigungstiefe ist das rund ein Prozent vom Umsatz. Horrorszenarien über einen bevorstehenden Exodus der Industrie aus Deutschland kann man auch bei Anwendung des BUND-Modells getrost vergessen.

Trotzdem ist die Novelle der Ermäßigungsregeln für die Regierung ein so heißes Eisen, dass sie sie vertagt hat. Wenn sich am Montag die Sachverständigen aus Wissenschaft und Verbänden zur Ökosteuer-Anhörung im Bundestag treffen, werden Henkel & Co. bei Bedarf wieder zum Sturm gegen die Reform blasen. Dann wird sich die Koalition entscheiden müssen, ob ihr das viel zitierte Gemeinwohl gegenüber Einzelinteressen in Umweltfragen ähnlich viel wert ist wie bei der Haushaltskonsolidierung. Matthias Seiche