Einst: Becker. Heute: Haas

Beim Grand Slam Cup schaufelt sich Thomas Haas den Weg zur nationalen Identifikationsfigur frei  ■   Aus München Albert Hefele

So gut haben es die Leute von Compaq lange nicht mehr gehabt: zum Beginn der Woche Andre Agassi und Steffi Graf in den Schlagzeilen, zum Wochenende die Williams-Schwestern und Thomas Haas im Finale. Das sind die Konstellationen, die der zweitgrößte Computerhersteller liebt. Spektakuläre Typen und die nationale Komponente. Früher Stich, vor allem aber Becker. Heute: Haas. Der hat sich mit dem Erreichen des gestrigen Endspiels gegen Greg Rusedski, auch trotz der 3:6, 4:6, 7:6, 6:7-Niederlage gegen den Briten, vor allem mit dem Sieg gegen Agassi endgültig zum idealen Nachwuchs für die Identifikationsfunktion gemausert.

Deren Besetzung ist dringend notwendig, um dem langsam, aber sicher mürbe werdenden Tennismarkt in Graf/Becker-Land wieder auf die Beine helfen. Der Boom ist in der Krise, in den Tenniscentern blüht der Löwenzahn. Ganz so schlimm ist es nicht, aber die fetten Zeiten, in denen jeder Installateur auf den Centre-Court drängelte, sind vorerst vorbei. Auffrischung der Begeisterung in Form eines einheimischen Topspielers wäre nicht schlecht. Sehr viele, die in Frage kommen, gibt es nicht. Eigentlich nur Haas oder Kiefer. Ganz im Ernst aber nur Haas. Kiefer will nicht so richtig, ist frech und unbotmäßig, legt sich mit diesem und jenem an und verschmäht – vor allem! – Davis-Cup-Einsätze für Deutschland.

Kiefer ist beileibe nicht der schlechtere Spieler, aber: Eine Identifikationsfigur muss mehr zu bieten haben. Frisch und froh und jugendlich und durchaus ein bisschen forsch darf sein – aber schon irgendwann vernünftig sollte sie werden. So einer ist Haas ohne Zweifel. Einer, der zwar die hübsche blaue Kappe verkehrt herum trägt, sie aber vor jedem Aufschlag sorgfältig richtet. Einer der zwar ins Bierzelt geht, aber nicht auf dem Tisch tanzt. Einen Schwips hat er schon mal gehabt, und der langt ihm. Vernünftig und ganz im Sinne von Papa Haas. Sollte man besser sagen: Übervater Haas? Planer des Projektes Tommy Haas und wahrscheinlich dessen größter Risikofaktor. Was soll man von jemanden halten, der den Sohn, kaum den Windeln entwachsen, schon auf Karriere trimmt? Ihn per Wertzertifikat an risikofreudige Anleger verschachert? Immerhin: Bisher hat es funktioniert.