Dr. Death muss in Südafrika vor Gericht

Heute beginnt der Prozess gegen Wouter Basson, Ex-Chef des Geheimprogramms für B- und C-Waffen der Apartheid-Regierung. Die Anklage lautet auf Betrug, Mord und Drogenhandel  ■   Aus Johannesburg Kordula Doerffler

Im Oktober 1997 fiel einer Einheit der Drogenfahndung in Pretoria ein unscheinbarer Mann in die Hände. In flagranti wurde er ertappt, auf offener Straße Mandrax und Ecstasy im Wert von umgerechnet 20.000 Mark zu verkaufen. Der Verdächtige verhielt sich eigenartig. Er lachte, als er sicher war, dass es sich bei den Männern nur um gewöhnliche südafrikanische Polizisten in Zivil handelte.

Was die Drogenfahnder nicht ahnten, war die wahre Identität des Verhafteten. Dr. Wouter Basson, der einstige Chef des geheimen Programms zur Herstellung von biologischen und chemischen Waffen des weißen Minderheitsregimes, war der südafrikanischen Öffentlichkeit höchstens als legendenumwobene Gestalt bekann. Auch die neue ANC-Regierung hielt schützend die Hand über den Mann, damit er seine Geheimnisse nicht ausplauderte. Bis heute praktiziert Basson an einem Militärkrankenhaus in Pretoria.

Dem militärischen Geheimdienst, für den Basson zu Apartheid-Zeiten selbst gearbeitet hatte, und der den einstigen General überwachte, war die Verhaftung nicht recht. Denn die Staatsanwaltschaft war lange interessiert, weitere Ermittlungen gegen den Wissenschaftler und früheren Leibarzt von Präsident Pieter Willem Botha einzuleiten. Wenn Basson ab heute der Prozess gemacht wird, ist das vor allem der Drogenfahndung zu verdanken. Denn erst im Zuge der Ermittlungen wurde das Ausmaß von Bassons Machenschaften greifbar.

Die Anklage umfasst Betrug in Millionenhöhe, 16-fachen Mord, Anstiftung zum Mord und illegalen Drogenhandel. Es wird vermutet, dass sich der Prozess mehr als zwei Jahre hinziehen könnte. Die Staatsanwaltschaft geht aber davon aus, dass bisher allenfalls ein Bruchteil von Bassons kriminellen Beziehungen bekannt ist.

In Südafrika wird Basson heute meist „Doctor Death“ genannt. Mit seinem Namen verbindet sich ein grusliges Kapitel des Traums von der weißen Vorherrschaft. Anfang der 80er wurde der Militärarzt vom damaligen Verteidigungsminister Magnus Malan mit der reizvollen Aufgabe betraut, B- und C-Waffen zu entwickeln. Das „Project Coast“ war streng geheim. „Ziel des Projekts war, der Armee defensive, eingeschränkt aber auch offensive Mittel im Bereich der chemischen und biologischen Kriegsführung zu verschaffen“, heißt es in der Anklage. Finanziert wurde es aus geheimen Staatsgeldern, kontrolliert von hohen Armeemitgliedern und einem Rechnungsprüfer.

Das Arsenal könnte einem James-Bond-Film entnommen sein. Es reichte von vergifteter Schokolade bis zu vergifteten Deodorants und Zigaretten. 229 Morde werden dem früheren Geheimdienstgeneral indirekt angelastet, darunter die schleichende Vergiftung von 200 Gefangenen der früheren namibischen Befreiungsbewegung Swapo. Auch missglückte Anschläge auf Anti-Apartheid-Kämpfer wie den Pfarrer Frank Chikane sollen auf Basson zurück gehen.

Bassons Lebenstraum aber war ein Gift, das keine Spuren hinterlässt – um die schwarze Bevölkerungsmehrheit unfruchtbar zu machen. Später wurden in den Laboren auch in großem Stil Mandrax und Ecstasy hergestellt, um gewalttätige Demonstranten ruhig zu stellen. Gleichzeitig aber begann aus den Laboren heraus ein schwunghafter Drogenhandel.

Nebenbei sorgte Basson auch für sein Auskommen. Um die Labore zu Hause mit chemischen Substanzen zu versorgen, reiste er um die ganze Welt. Um etwa 15 Millionen US-Dollar betrog er dabei laut Anklage seine Dienstherren. Der Wissenschaftler soll auf den Cayman-Inseln eine Tarnfirma gegründet haben, die Tochterfirmen in den USA, der Schweiz und Großbritannien errichtete. Dokumente, die während einer Anhörung der Wahrheitskommission 1998 verteilt wurden, belegen, dass Basson gute Beziehungen zum ehemaligen Schweizer Geheimdienstchef Regli hatte.