Bilder auf Umwegen

■ Die Galerie Horst Dietrich zeigt Videos, Installationen und Fotos von Anja Knecht

Ein Fleck überdeckt das Gesicht der Frau. Dann dreht der Kopf in einer kleinen, langsamen Bewegung nach links, die Hand löst sich davon – es ist ein Taschentuch, wie man nun sieht – und hält es mit zwei Fingern fest. Es entsteht ein schwebender Moment, ein Nebeneinander des Flecks und der zwei Finger, dann tupft die Frau ihr Gesicht – einmal, zweimal –, der Kopf dreht zur Mitte und schließlich nach rechts. In einem winzigen Rückwärtslauf wird die verzögerte Bewegung noch mal verzögert – der Kopf tickt in die andere Richtung – und vollendet so die Drehung. Was in der wirklichen Welt ein kaum wahrnehmbarer Augenblick war, wird durch die Slow-Motion-Bewegung und die Endlosschleife des Videos „She directs herself over a few loops“ von Anja Knecht bedeutend gemacht, fast monumentalisiert. Eine unbemerkte Welt stülpt sich aus der Sichtbarkeit. Verwirrt und süchtig sitzt man davor und will jedesmal mehr sehen und mehr verstehen.

Nebenan hat die Berliner Künstlerin eine Arbeit installiert, die den Raum in zwei schmale Gänge aus Bläschenfolie einteilt. Die Gänge stoßen in der Form eines T aufeinander und trennen zwei würfelförmige Räume voneinander, die man weder betreten noch betrachten kann. Die Streifen der Folie überlappen sich so, dass es nicht gelingt, einen Blick ins Innere zu werfen – boshafterweise, denn dahinter tut sich eine Menge: Aus den viel versprechend leuchtenden Kuben hört man merkwürdig undefinierbare Klänge. Ratter- und Rasselgeräusche schwellen auf und ab, geben sich Antworten, verdichten sich zu Türmen und hallen nach. „Detour“, so heißt die Klanginstallation, bedeutet Umweg, Umleitung, vom rechten Weg abkommen, nicht auf den Punkt kommen.

Wie beim Video, so handelt es sich auch hier um eine echte Anja-Knecht-Arbeit: Auf den Punkt kommen, genau das will sie nämlich nicht. Seit Jahren arbeitet Knecht mit dem Nebelhaften, dem nicht genau Gewussten, Bewussten, Verstandenen, mit Zuständen, die dem Traum ähneln, und mit der Zeit zwischen dem Jetzt und dem nächsten Jetzt. Auch ihre Fotoarbeiten, die den dritten Teil ihrer Ausstellung in der Galerie Horst Dietrich bilden, erscheinen geheimnisvoll und rätselhaft. Sie zeigen runde Gebilde auf hochglänzendem Cibachrome, die plastisch aus einem dunklen Hintergrund hervorzutreten scheinen. Wo aber diese leuchtenden, flirrenden Formen ihr Pendant in der Gegenstandswelt haben, ist ungewiss. Einige erinnern an Körperinnenaufnahmen, andere an kosmische Phänomene. Wie dem auch sei – wir bekommen keine Antwort. Übrigens: Ganz nah hingucken hilft auch nicht, dann verschwimmt alles. Cornelia Gerner

Galerie Horst Dietrich, Mi – Fr 13 – 19, Sa 11 – 13 Uhr, Giesebrechtstr. 19. Parallel dazu sind Arbeiten von Anja Knecht bis zum 17. 10. in der Präsentation der Stipendiaten der Karl-Hofer-Gesellschaft im Künstlerbahnhof Westend zu sehen.