Den Ball flach halten

■  Verpackung ist bekanntlich alles. Aber trotz kühner Visionen bleibt auch beim TV-Design letztlich die Masse das Maß aller Dinge

Wird demnächst alles anders? Ja schon. Vielleicht nicht alles, aber doch einiges. Anderes wird aber vermutlich noch eine Zeit lang bleiben, wie es ist. Oder jedenfalls so ähnlich. So könnte das Fazit jener Debatten über die Zukunft der Audiovision(en) lauten, die am Donnerstag und Freitag im Rahmen der „Eyes & Ears“-Konferenz in Köln stattfanden. Aber schließlich ließ schon das Motto der Veranstaltung („Kontinuität und/oder Veränderung?“) ahnen, dass das Ganze ausgehen würde wie das Hornberger Schießen.

„Ears & Ears“, das ist jener 1995 ins Leben gerufene Verband von TV- und Audio-Designern, Multimedia-Unternehmern, Promotion-Profis und anderen „Kreativen“, die gemeinhin in dem Ruf stehen zu wissen, wohin die Reise gehen könnte. Wenn es nach Peter Kabel geht, der mit seiner Firma CEO sein Geld vorwiegend im Bereich der Neuen Medien macht, sind die Tage der guten alten Flimmerkiste jedenfalls gezählt. Weg von der eindimensionalen Berieselung hin zu interaktiven Formen der Mediennutzung und „Special Interest“-Angeboten, heißt für Kabel die Devise. Gleichgültig, ob all diese neuen Formate nun auf dem Fernsehschirm oder per Internet ins Haus kommen, auf jeden Fall wollen sie attraktiv „verpackt“ sein, damit sie in der kaum noch überschaubaren Masse nicht untergehen. Rosige Zeiten für Mediendesigner also.

Gegenüber solch hochfliegenden Visionen mahnte Ex-RTL-Boss Helmut Thoma, den Ball doch eher flach zu halten. Auch in seinem neuen Job als Medienberater von NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement ist der Pragmatiker nicht zum Technologie-Freak mutiert. „Sicher, wenn ich gerade ein Huhn gekauft habe“ so Thoma, „werde ich mir künftig wohl lieber im Internet gezielt anschauen, wie einer Hühnchen zubereitet, als Biolek beim Rühren im Gulasch zuzusehen. Aber solche Zusatzangebote werden doch das herkömmliche Fernsehen nicht ablösen.“

Und natürlich konnte Thoma sich auch diesmal ein paar Frotzeleien über Ex-Konkurrent Leo Kirch und dessen Pay-TV-Hoffnungen nicht verkneifen. Was die Vertreter von Premiere World womöglich etwas anders gesehen hätten, aber von denen hatte man aus unerfindlichen Gründen niemanden geladen. So saßen da auf dem Eröffnungspodium am Donnerstag vorwiegend Programmmacher alter Schule, die Thoma –aus nahe liegenden Gründen – beipflichteten. ZDF-Unterhaltungschef Viktor Worms zum Stichwort „Interaktiviät“: „Die Menschen wollen vor dem Fernseher noch immer immer vor allem eins: nichts tun.“

Immerhin hatten die Herren dann doch noch ein Trostpflaster für die Verpackungskünstler im Saal parat. Design und Promotion, so verkündeten sie unisono, werde im Bereich der Audiovision künftig eine immer größere Rolle spielen. Was nun wirklich keine sonderlich gewagte Prognose ist. Wo die Zahl der Angebote ständig steigt und die Unterschiede (zumindest bei den Vollprogrammen) sooo groß nicht (mehr) sind, muss die Ware über das Design, den Look oder – wie die Branche es heute gern zu nennen beliebt – die Anmutung an die Zielgruppe gebracht werden. Ein schlichtes Gebot der Warenästhetik, das für Waschmittel seit eh und je gilt, beim Fernsehen noch oft als bahnbrechende Erkenntnis gehandelt wird.

Am zweiten Tag der Konferenz durften dann endlich die Look-Profis ihre neuesten Produkte vorführen. Aber ob da nun knallbunte Logos und rasant geschnittene Clips über die Leinwand flimmerten oder eher gediegenes Understatement wie beispielsweise bei der ARD vorherrschte, die totale Revolution war auch hier kaum zu entdecken. Sicher, dass wieder erkennbare Sounds im Sinne der Verbraucherbindung auch beim Fernsehen zunehmend von Bedeutung sind, weil die zerstreuten Zuschauer vor der laufenden Glotze schon mal einfach wegsehen, aber schlecht -hören können, dürfte manche Sender ermutigen, eigene Abteilungen für Audio-Design einzurichten. (Pro 7 und Sat.1 haben sie schon.)

Aber ansonsten waren die hier präsentierten Design- und Promotion-Konzepte in erster Linie vorsichtige Modifikationen des Bewährten. Was vielleicht anders ausgesehen hätte, wenn die Designer dürften, wie sie wollten. Dürfen sie aber nicht. Schließlich sind sie in erster Linie Dienstleister, die ihren Kunden, gleich ob Sender oder Internet-Anbieter, vor allem möglichst viel Kundschaft zuführen sollen. Und unter dieser Maßgabe gilt nach wie vor das Gebot, dass ein Design mit hohem Wiedererkennungswert zwar möglichst neu und unverwechselbar, aber keinesfalls elitär sein soll. Zumindest beim Fernsehen bleibt auch hier die Masse das Maß aller Dinge. Und daran wird sich auch künftig nichts ändern. Reinhard Lüke