Gutachten-Sturm für Watt und Wurm

■ Mit drei Gutachten hat die Umweltstiftung WWF versucht, Argumente gegen den Bau des Ems-Sperrwerks zu sammeln

Im Kampf gegen das umstrittene Ems-Sperrwerk bei Gandersum gibt die Umweltstiftung World Wildlife Fund (WWF) nicht auf: Gestern wurde in Bremen die dritte vom WWF in Auftrag gegebene Studie innerhalb eines Monats präsentiert. Nach einer Untersuchung zur Finanzierung des Bauwerks und einer weiteren zu Küstenschutz-Alternativen wurde nun das Hauptgutachten der Umweltschützer präsentiert. Titel des Papiers: „Staufall ist Störfall. Die ökologischen Auswirkungen der geplanten Ems-Aufstauung zur Überführung von Ozeanriesen“ (siehe Seite 8).

Im ersten Gutachten zum Küstenschutz hatte der Gutachter Bernd Wünsche bilanziert, dass ein Schutz gegen die Wassermassen mit einer einfachen Erhöhung der Deiche erheblich billiger kommen würde als der Bau des Sperrwerks. Mit dem Geld könne „ohne Benachteiligung oder Bevorzugung eines bestimmten Gebietes zwischen Ems und Elbe ein gleichwertiger Sicherheitsstandard im Hochwasserschutz für alle an der Küste lebenden Menschen geschaffen werden“, schloss der Gutachter.

Auch im zweiten Gutachten kamen die Sperrwerksplaner erwartungsgemäß schlecht weg: Die Finanzierung durch den Bund und das Land Niedersachsen sei extrem problematisch, hieß es. Der Otto-Normal-Wasserverbraucher bezahle durch eine Gebührenerhöhung direkt für das umstrittene Bauwerk; die Finanzierung des Projekts verstoße gegen gleich zwei ökologisch motivierte Fördergrundsätze; ausserdem gehe der Bau zu Lasten anderer wichtiger Agrar- und Küstenschutz-Projekte.

Und jetzt auch noch das ökologische Gutachten. Wenn die Ems mehrere Male pro Jahr aufgestaut wird, damit Schiffe von der Papenburger Meyer-Werft Richtung Meer tuckern können, bedeutet das mehr als Ungemach für die Natur, steht im Gutachten. Zehn verschiedene Krustentieren, sechs Schneckenarten, zwanzig Brutvogelarten und mindestens sieben Fischsorten trügen ein hohes Risiko der Schädigung, wenn die Ems aufgestaut wird. Weitere Tierarten und jede Menge Pflanzen stehen auf der Gefährdungsliste.

Sauerstoff-Mangel, Versalzung und zerstörende Überschwemmung – das sind die drei größten Befürchtungen, die Gutachter Jörn Hildebrandt vom Institut für Umweltwissenschaften und Umweltchemie von der Universität Lüneburg bei einer Aufstauung der Ems hegt. Die Konsequenzen: Kleinsttiere und Fische sterben, Vögel finden keine Nahrung mehr, können nicht mehr nisten und werden endgültig aus den ohnehin schon belasteten Ems–Öko-Revieren vertrieben. Daher auch gestern wieder der Appell der Umweltschützer an die Politik: Stopp des Projektes.

Der Appell kommt in einer Zeit, in der eigentlich weitergebaut werden könnte. Einmal schon hatten Umweltverbände mit einer einstweiligen Verfügung einen Baustopp erreicht, der inzwischen wieder aufgehoben wurde. Doch nach Informationen von WWF-Expertin Beatrice Claus „tut sich derzeit nichts am Bauort“. Ihre Vermutung: Bevor nicht über einen erneuten Baustopp-Antrag der Umweltschützer entschieden ist, sei den Planern das Neuengagement der Baufirmen zu riskant.

Christoph Dowe